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Städten führte er einige Wochen ein munteres Leben mit dem stets Feste feiernden
reichen Adel. Er freute sich an der Fruchtbarkeit des schönen Landes; es schien ihm,
als fahre er durch einen großen Garten. Von Venedig segelte er mit einem gemieteten
Boot über die Adria, fuhr dann nach Norden und traf wenige Tage später in Wien ein.
Er hatte überall in Italien gewissenhaft nach der Weisung des Onkels die Verfassung
und Wirtschaft der Staaten studiert. Er verschaffte sich genaue Kenntnis über den
Absolutismus im Königreich Sardinien, über die Adelsherrschaft in Lucca, über die
österreichische Statthalterschaft in der Toscana und der Lombardei sowie über das
Regiment des Papstes im Kirchenstaat. So konnte er auf die in Italien verbrachten
Monate, die ihm überdies noch die Möglichkeit geboten hatten, italienisch zu lernen,
als auf eine gewinnbringende Zeit zurückblicken. Von der italienischen Sprache fand
er, daß sie herrlich und tausendmal reicher sei als die französische.
Als Andreas Peter in Wien eintraf, war es Anfang Juli 1756. Am 1. Mai dieses Jahres
hatten Österreich und Frankreich einen Bündnisvertrag als Gegenzug gegen das
englisch-preußische Bündnis geschlossen, und man erwartete von Tag zu Tag den
Ausbruch des Krieges, der dann Ende August in Gestalt des Einmarsches Friedrichs d.
Gr. in Sachsen wirklich ausbrach und sich zum 7-jährigen Krieg auswuchs.
In diese kriegerische Atmosphäre hinein kam Andreas Peter bei seiner Ankunft, und er
schrieb dem Onkel, daß alles in merkwürdiger Bewegung sei. "Alle bis zum
Schuhflicker herab sprechen von Politik, und ich möchte wissen, wie oft man täglich
Europa umgestaltet." Andreas Peter konnte die politischen Vorgänge aus nächster
Nähe beobachten; der dänische Gesandte Graf Bachof führte ihn bei den fremden
Diplomaten ein, von denen mehrere mit Johann Hartwig Ernst befreundet waren. Auch
Maria Theresias mächtiger Minister Kaunitz und der Oberhofmarschall Graf
Khevenhüller nahmen sich freundschaftlich seiner an.
Andreas Peter fand Eingang in viele vornehme Häuser Wiens und genoß in vollen
Zügen das Wiener Gesellschaftsleben, Hoffeste in Schönbrunn, Ausflüge nach den
Schlössern des hohen Adels und auch die Wiener Sehenswürdigkeiten. Daneben sah
er aber auch die Truppenmassen, die in Wien und Umgebung zusammen-gezogen
wurden. Viel lernte er von dem damals berühmten Reichtshofrat Freiherrn v.
Senckenberg, einem der gelehrtesten Juristen der Zeit und Freund Johann Hartwig
Ernsts. In dessen Landhaus verbrachte er mehrere Wochen.
Gern hätte Andreas Peter auf der Rückreise von Wien, die er im Oktober antrat, Prag
näher angesehen und auch das österreichische Lager in Böhmen und Mähren
besucht. Aber die kriegerischen Ereignisse verhinderten die Verwirklichung dieser
Absicht, und er reiste von Wien nach München und von dort zu zahlreichen kleineren
deutschen Höfen weiter, wo er überall auf Freunde und Bewunderer Johann Hartwig
Ernsts traf. Bei einem Besuch Regensburgs hörte er nur von "Unordnung, Uneinigkeit
und gegenseitigen Mißverständnissen", die den Reichstag lahmlegten. Über Bayreuth,
Gotha und Weimar kam er nach Leipzig,