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Hartwig Ernst zu Dank verpflichtet. - Am lothringischen Hof in Luneville traf Andreas
Peter einen der bekanntesten Männer des Jahrhunderts in der Person des greisen
Herzogs Stanislaus Lesczynski, des Schwiegervaters Ludwigs XV. von Frankreich, der
früher einige Jahre König von Polen gewesen war und seit 1735 Herzog von
Lothringen war. Der damals 80-jährige empfing Andreas Peter mit größter
Zuvorkommenheit, ließ ihm Zimmer auf dem Schloß zuweisen, fuhr mit ihm auf seine
Schlösser und Landsitze und erzählte ihm von seinen Begegnungen mit Johann
Hartwig Ernst in Paris.
Am 27. März 1757 traf Andreas Peter in Paris ein. Wiederum hatte Johann Hartwig
Ernst ihm eingehende Instruktionen mitgegeben. Im Vordergrund stand wie immer die
Sorge um Andreas Peters Charakterfestigkeit, gegenüber den Versuchungen der
leichtlebigen Weltstadt die christliche Ethik und Zucht zu bewahren. Er führte ihn bei
allen Leuten von geistiger und politischer Bedeutung ein, gab ihm aber zu verstehen,
daß er diejenigen, an die er Empfehlungsschreiben erhielt, durchaus nicht immer als
Vorbilder ansehen dürfe. "Nimm das Gute eines jeden, laß das Schlechte liegen.
Wäge alles auf der Wagschale der Religion, Tugend und Vernunft und laß Verirrungen
und Laster, selbst wenn sie bei den Allergrößten, Allerglänzendsten und
Allerliebenswürdigsten Beifall finden sollten, nur Gegenstand Deines Abscheus sein."
Johann Hartwig Ernst warnte den Neffen vor zu leichter Anknüpfung von
Freundschaften, einer Schwäche Andreas Peters, es gebe unter seinen intimen
Freunden solche, die seiner nicht würdig seien und deren Umgang ihm nicht nützlich
sein könne; seine Zeit sei dafür zu kostbar. Außerdem monierte Johann Hartwig Ernst
Andreas Peters Neigung, seine politischen Sympathien auszusprechen. Sowohl aus
Rom wie aus Wien habe man darüber geklagt, daß er "englisch" sei. Er solle als Däne
auftreten und als Däne reden, d. h. neutral und unparteiisch sein. "Achte in diesem
Punkt sorgfältig auf Dich; der Franzose hat Augen wie ein Luchs, und ich erfahre
alles." Er ermahnte ihn dringend, sich nach seinen Vorschriften zu richten, andernfalls
verbiete er ihm, auch nur einen einzigen Empfehlungsbrief abzugeben oder überhaupt
seinen Namen zu benutzen.
Andreas Peter hatte nur vier Monate Zeit für Paris. Aber er konnte sich überall in den
Spuren des Onkels fühlen und lebte sich daher schnell ein. Der dänische Gesandte
stellte ihn in Versailles der gesamten königlichen Familie vor. Und wenn er tagsüber
bei Hof gewesen war, standen ihm abends die Salons der großen Häuser offen. Eine
große Hilfe war es für ihn, daß Johann Hartwig Ernsts rechte Hand aus der Pariser Zeit
und derzeitige Sekretär der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen, Joachim
Wasserschlebe, gerade zu Besuch in Paris war und ihm mit Rat und Tat helfen konnte.
Andreas Peter fühlte sich in dem eleganten gesellschaftlichen Pariser Leben wohl. Er
hatte das gleiche gewandte und weltmännische Auftreten wie der Onkel. Von allen
Stationen der Reisen, schon aus Genf, von Stainville in Rom und auch von anderen
hatte Johann Hartwig Ernst diese Eigenschaft des Neffen loben gehört. Und er legte
auch schnell das gewisse Vorurteil, das er seit seiner Kindheit gegen alles
Französische gehabt hatte, ab; die strahlende Liebenswürdigkeit der Franzosen
gewann sein Herz. Die Begeisterung für das Pariser Leben verband ihn noch inniger
mit dem Onkel.