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und schrieb schon als Zehnjährige kleine naive Gedichte, später gefühlvolle
Erzählungen. Sie las viel, allein oder mit der Mutter, und auch Andreas Peter saß
häufig an warmen Sommernachmittagen im Garten von Hörsholm und las der Mutter
und der Tochter vor.
Schon im Frühjahr 1761 wurde Andreas Peter sich darüber klar, daß Henriette seine
Frau werden müsse. Aber er hielt sich an das Herkommen und sprach sich ihr
gegenüber noch nicht aus; vielmehr begann jetzt eine Korrespondenz zwischen
Kopenhagen und Gartow, zwischen Johann Hartwig Ernst, Andreas Gottlieb und
Andreas Peter, in der alle Umstände des Falles und die Eigenschaften, die die Braut
haben müsse, erörtert wurden.
Derweilen ging ein gefühlvoller Briefwechsel zwischen Schloß Bernstorff und Hörsholm
hin und her, allerdings schrieb Andreas Peter nicht an Henriette, sondern an die Mutter
als seine ältere Freundin, aber ersichtlich mit der Absicht, daß Henriette den Inhalt
erfahren sollte. Die Briefe zeigen, wie sehr Andreas Peter in der Natur lebte; "ich bin
am Mittwoch Abend", schreibt er an einem Maientag an die Gräfin Stolberg, "beinahe
zwei Stunden mit meinem Onkel im Garten spazieren gegangen. Wir haben die
zauberhafte Schönheit des Abends genossen, die milde ruhige Luft, die so sanft zu
Gesellschaft und freundschaftlicher Vertrautheit einlädt. Dieser spürbare Einfluß, den
ein schöner Abend und eine schöne Nacht ausüben, scheint mir stets eine der
angenehmsten Wirkungen der Natur zu sein." Und ein andermal: "Nach dem
Abendbrot haben meine Tante, Klopstock und ich bis 11 Uhr unten im Gemüsegarten
dem Trillern der Nachtigall gelauscht." "Hier in Bernstorff ist eine, die sich nicht weit
von meinem Fenster aufhält und mir mehr als einen zauberhaften Augenblick bereitet
hat. Besonders am Morgen singt sie herrlich".
Im Sommer 1761 war Andreas Peter in Gartow, um seine Absicht, Henriette zu
heiraten, mit den Eltern zu besprechen. Andreas Gottlieb hatte gewisse Bedenken,
weil er grundsätzlich nicht wünschte, mit Grafen und Prinzen den Gleichgestellten zu
spielen (die eigene Erhebung in den Grafenstand erfolgte erst 6 Jahre später). Als ihm
aber Andreas Peter bestätigen konnte, daß die Lebensweise der Stolbergs ihrer
eigenen Lebensweise glich, erteilten die Eltern die uneingeschränkte Einwilligung, da
alle anderen Voraussetzungen in schöner Weise erfüllt waren. Andreas Gottlieb wollte
keine reiche Schwiegertochter haben. "Im Allgemeinen kosten sie den Ehemann auf
mehr als eine Weise teuer und lassen ihn bereuen", meinte er. "Ich schätze es, wenn
eine Frau genügend besitzt, um nicht die Sklavin ihres Mannes zu sein und ihn nicht
um Geld für jedes Paar Schuhe anbetteln zu müssen, aber was darüber ist, ist mir
gleichgültig, und die reichsten Erbinnen sind selten die besten Ehefrauen; verzogen,
eigensinnig, zum Vollauf gewöhnt, kosten sie mehr, als sie einbringen, oder der
Vortheil wird zu theuer erkaufet". Es war ihm daher angenehm, daß die Stolbergs nicht
reich waren.
Im Herbst 1761 konnte dann endlich die Verlobung stattfinden, aber die Hochzeit
mußte wegen des jugendlichen Alters der Braut noch ein Jahr aufgeschoben werden
und fand erst am 3. Dezember 1762 statt, immerhin auch noch gut einen Monat vor
Vollendung