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für einige Tage in Wedendorf, und ich hoffe, daß wir nach seiner Rückkehr endlich
daran denken werden, die Vorbereitungen unserer kleinen Reise nach Bernstorf zu
machen. Wie sehr sehne ich mich danach, bei mir selbst zu sein und etwas Ordnung
zu sehen an Stelle der schrecklichen Unordnung, die mich von allen Seiten umgibt. Da
wir alle auf 2 Zimmer beschränkt sind, kann ich nichts in Ruhe tun, weil meine kleinen
Kranken sich nicht für den kleinsten Augenblick von mir trennen wollen." Und am
3.5.1806 schreibt sie ihrer Mutter aus Bernstorf: "Aus Bernstorf kann ich heute meinen
kleinen Brief beginnen. Unser kleines Häuschen ist reizend, und wir sind alle
ausgezeichnet darin untergebracht. Unsere Gesundheit ist im Ganzen gut und ich
hoffe, daß in einigen Tagen die Kinder das blasse Aussehen verlieren werden, das ihre
kleine Krankheit ihnen gegeben hat."
Die erhaltene Korrespondenz von und an Ernst und Amerika zeigt, daß in der Zeit vom
1. Mai 1806 - 12. Oktober 1807 Briefe aus und nach Bernstorf geschrieben worden
sind. Und Bernstorf als Wohnsitz von Ernst und Amerika in jener Zeit wird auch
bestätigt durch eine Tagebuchnotiz des Vetters Friedrich Dreilützow, der am 15./16.
Oktober 1806 mit seiner Frau Nandine einen Besuch in Bernstorf bei Ernst und
Amerika notiert. Wie eine weitere Notiz zu verstehen ist, daß er am 29. Juli 1805 von
Dreilützow nach Wedendorf geritten ist und den Mittag in Bernstorf war, ist nicht ganz
deutlich. Vielleicht hat er sich dort mit Ernst nur den aus der Pacht kommenden Betrieb
angesehen.
Denn daß der Betrieb aus der Pacht kam, ist doch wohl anzunehmen. Man kann es
sich schwer vorstellen, daß Ernst und Amerika ihren Wohnsitz in Bernstorf genommen
hätten, wenn dieses noch verpachtet gewesen wäre. Denn dann wäre doch wohl das
Wohnhaus durch den Pächter besetzt gewesen. Wahrscheinlicher ist es mir, daß
Bernstorf später, nachdem Ernst 1807 auch Herr auf Gartow geworden war, neu
verpachtet und dann erst 1821 wieder aus der Pacht genommen worden ist.
Als Ernst und Amerika nach Bernstorf zogen, stand das ganz alte Bernstorfer Haus
jedenfalls nicht mehr. Vielmehr war inzwischen ein neues, aber immer noch einfaches
Herrenhaus gebaut worden, ein einstöckiger Fachwerkbau unter Steindach, mit
Frontispizen vorne und hinten. "Das Haus ist typisch für ein Gutshaus dieser Zeit,
einfach und zweckmäßig, ohne besonderen Aufwand. Alle Räume des Erdgeschosses
erhalten durch die hohen Fenster viel Licht, die dreifenstrige Giebeloberstube über
dem Eingang, mit Fachwerk gebaut, gibt dem Sitz der Herrschaft ihr eigenes Gepräge.
Schön in seinen Abmessungen ist das mächtige, weit herabhängende Dach" (Helmut
Sieber, Schlösser und Herrensitze in Mecklenburg, Weidlich-Verlag 1960, S. 57).
Wann dieses Haus gebaut worden ist, und ob es noch Joachim Bechtold oder erst
Ernst hat errichten lassen, ist nicht bekannt. Nach seinem Stil sollte man eher an einen
frühen Zeitpunkt der Errichtung, d.h. durch Joachim Bechtold, denken, obwohl
Bernstorf ja damals noch verpachtet war.
Der Grund für die Übersiedelung Ernsts und Amerikas nach Bernstorf von 1806-1807
war offenbar der, daß Ernst mit dem Um- und Ausbau Wedendorfs begonnen hatte,
wodurch dieses für einige Zeit unbewohnbar wurde. Nach dem ersten der oben
angeführten Briefe Amerikas muß man sogar annehmen, daß sie zunächst