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"ist wohl selbstverständlich. Weder das viele Kneipen noch die Mensur hätte ich mit meinem
christlichen Bekenntnis für vereinbar gehalten.“ Übrigens vermied Andreas auch das Tanzen
möglichst und unterließ es später ganz. Es sah zwar keine Sünde darin, fand es aber doch
unter Umständen gefährlich für einen jungen Menschen.
Ende 1864 bestand der 20-Jährige das Auskultator-Examen und trat seinen Dienst im Bezirk
des Kammergerichts an. Von Theologiestudium war jetzt nicht mehr die Rede. weil er eine
bessere Möglichkeit sah, als Laie in der Reich-Gottes-Arbeit zu wirken. Auch machte die Arbeit
im Beruf ihm Freude. Nachdem er 5/4 Jahre beim Kreisgericht und in Charlottenburg als
Auskultator gearbeitet hatte - die Ausbildung war damals noch geteilt in Auskultatur und
Referendariat -, machte er kurz vor dem Kriege von 1866 sein Referendar-Examen und nach 2
1/2 Jahren beim Stadtgericht im Sommer 1869 das Assessor-Examen. Seine Leistungen
während der praktischen Ausbildung wurden so gut beurteilt, daß der Kammergerichtspräsident
Breithaupt bei einem Hofball zu Graf Arnim-Kröchlendorff sagte: "Das ist unser zukünftiger
Justizminister".
In die Ausbildungszeit von Andreas fiel der Anschluß seiner lauenburgischen Heimat an
Preußen. Er erlebte 1865 den Empfang des Königs in Ratzeburg, wo die Stände dem König im
Rahmen einer Feier in der Stadtkirche huldigten und den vom Erblandmarschall v. Bülow auf
Gudow vorgesprochenen Eid leisteten.
Als 1866 der Krieg gegen Österreich drohte, meldete Andreas sich freiwillig zum Militär und
zwar, da er sich nicht firm genug im Reiten fühlte, um bei der Kavallerie einzutreten, beim
Garde Füsilier-Regiment. Nach seiner Einberufung schreibt er aus der Kaserne: "Ich bin schon
ordentlich stolz, der preußischen Armee anzugehören.“ Er kam zwar nicht mehr zum Feldheer,
aber er schreibt nach der Schlacht bei Königgrätz: "Es ist schön zu erleben, daß die preußische
Geschichte nicht nur in der Vergangenheit liegt und in den Schulen gelernt wird, sondern daß
sie sich unter unseren Augen abspielt." Er war "Feuer und Flamme" bei diesem Krieg. Wenige
Wochen später wurde er "wegen schwacher Brust für zeitig unbrauchbar" aus dem Militärdienst
entlassen, so daß sein Wunsch, "dem mobilen Theile seines Regiments" überwiesen zu
werden, nicht erfüllt wurde.
Ende 1869 wurde Andreas zum Gerichtsassessor ernannt. Bei Hofe wurde er im Jahre 1870
Kammerjunker. Nachdem er zunächst ein Jahr Urlaub genommen hatte, wurde ihm der Eintritt
in den Auswärtigen Dienst angeboten. Bismarck war bereit, ihn ohne weitere Prüfung zum
Legationssekretär zu ernennen und ihm die Legationssekretärstelle in Dresden zu übertragen.
Andreas hatte zeitweise geglaubt, daß es für ihn am besten sei, in der richterlichen Laufbahn
zu bleiben, schon wegen der Unabhängigkeit des Richters. Nach einiger Überlegung nahm er
das Angebot aber an und ging nach Dresden. "Es war mir so eigentümlich in einer Stadt",
schreibt er, "wo ich auf dem Gymnasium gewesen war und wo die Familie meiner Mutter lebte,
nun auf einmal als fremder Diplomat zu sein". Er blieb aber nicht lange in Dresden. Denn als
der Krieg gegen Frankreich ausbrach, wurde er, da auf den innerdeutschen diplomatischen
Posten nichts, auf den außerdeutschen aber viel zu tun war, nach London zur Dienst-