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der internationalen Politik geworden sind": „Die Entscheidung dieses Kampfes wird nicht durch
den Völkerbund oder durch die Regierungen herbeigeführt werden, sondern durch die Völker.
Eine unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg dieses Kampfes ist die feste innerliche
Überzeugung, daß die Völker die Abrüstung wollen und sie auch durchsetzen werden. Die
Regierungen, die meistens noch in den Ideen des Imperialismus befangen sind, werden sich
nicht bereit finden, eine ernsthafte Abrüstung vorzunehmen. Aber hinter den Regierungen
stehen die Massen der Völker, die heute ebenso bestimmt die Abrüstung verlangen, wie sie
früher die religiöse und politische Freiheit gefordert und auch erkämpft haben. Was die Völker
ernstlich wollen, erreichen sie schließlich immer, und die Regierungen, die sich dem Willen der
Völker widersetzen, haben in der Weltgeschichte immer das Nachsehen."
Heute müssen wir erkennen, daß trotz der jahrelangen intensiven Bemühungen der
vorbereitenden Abrüstungskonferenz seinerzeit keinerlei wesentlicher Fortschritt erzielt worden
ist, daß der Zweite Weltkrieg nicht verhindert werden konnte, und daß wir heute genau so am
Anfang von Abrüstungsbemühungen stehen wie vor 50 Jahren. Auch die These, daß die
Entscheidung über die Abrüstung durch die Völker und nicht durch die Regierungen werde
verwirklicht werden, dürfte fragwürdig sein, weil, solange "die Völker" nicht alle die Abrüstung
wollen und durchsetzen können, eine einseitige Abrüstung einzelner Völker unverantwortlich ist,
und, solange sich die beiden großen weltpolitischen Blöcke feindlich gegenüberstehen, jede
Rüstungsbeschränkung einen harten und oft vergeblichen Kampf erfordert.
1931 waren die Arbeiten der vorbereitenden Abrüstungskonferenz beendet. Johann Heinrich
stand damals im 70. Lebensjahr. 50 Jahre hatte er im Dienst des Vaterlandes gearbeitet. Jetzt
waren seine Kräfte erschöpft. Nach den vielen Anstrengungen seiner langen politischen
Laufbahn brach er damals gesundheitlich nieder. Er mußte jetzt den Geboten seiner
Gesundheit gehorchen und die weitere politische Arbeit aufgeben. Er schließt sein zweites
Erinnerungsbuch mit den Worten aus dem Prediger Salomo: "Denn der Staub muß wieder zu
der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat."
Indessen hatte Johann Heinrich noch einige Lebensjahre vor sich. Sie waren wohl seine
schwersten. Denn keine 2 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik kam der
Nationalsozialismus an die Macht, den er natürlich radikal ablehnte und der ihn veranlaßte,
schon 1933 seinen Wohnsitz Starnberg und überhaupt Deutschland zu verlassen, wo er mit
einiger Sicherheit Verfolgungen hätte befürchten müssen. Er siedelte nach Genf über und
erlebte von hier aus noch die ersten Jahre des Nationalsozialismus, die Judenverfolgungen und
die außen-politische Hybris Hitlers. Es blieb ihm auch nicht erspart, noch den Kriegsausbruch
zu erleben. Aber wenige Wochen darauf starb er in Genf am 6. Okt. 1939.
Seine Witwe kehrte in ihre amerikanische Heimat zurück und starb in Washington am 25. Apr.
1943.
Aus Johann Heinrichs Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen: