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Fünfzig Jahre später fuhr Hugo Bernstorff, Brudersohn von Andreas, nach
Kopenhagen, um am 18. April 1914 einen Kranz der Familie am Grabe niederzulegen.
Er berichtete bei seiner Rückkehr von dem ausgezeichneten Empfang, den er in
Kopenhagen sowohl bei einzelnen dänischen Familien wie besonders bei dem
Kommandeur des Traditionstruppenteils des dänischen Inf. Rgts. Nr. 17, dem
Oberstleutnant Castonier, gefunden habe. Als er den Kranz niederlegte, lag dort
bereits ein Kranz des dänischen Königs (Christians X., vermählt mit Alexandrine zu
Mecklenburg) und der Königin-Mutter. Der Kranz der Familie trug eine weißgoldene
Schleife mit der Aufschrift: "Oberst A. Bernstorff, gefallen bei Düppel am 18. April
1864, zum fünfzigsten Gedächtnistag, Familie v. Bernstorff". Beide Schleifenenden
zeigten das Bernstorffsche Wappen in rot-silber-grün.
Am 100. Gedenktag der Schlacht von Düppel, am 18.4.1964, hat Hugos Sohn
Ernst-Hartwig Bernstorff, wiederum einen Kranz am Grabe des Großonkels
niederlegen lassen können als Zeichen dafür, daß das Gedächtnis an diesen
ausgezeichneten Mann in unserer Familie über ein Jahrhundert hinweg lebendig
geblieben ist.
27. Christian Hartwig. 1815-1857.
Über dem Leben des am 14.11.1815 geborenen 4. Sohnes, Christian Hartwig,
liegt eine tiefe Tragik. Er war schleswig-holsteinischer Offizier und wurde als solcher
auf schleswig-holsteinischer Seite in die Auseinandersetzungen mit Dänemark
verwickelt, in denen sein Bruder Andreas auf dänischer Seite stand. Und während
Andreas zum dänischen Oberst und Regimentskommandeur aufstieg und ein
persönlicher Freund des Königs war, wurde Christian Hartwig, Rittmeister und
Regimentsadjudant, später Eskadrons-Chef im schleswig-holsteinischen
Dragoner-Regiment, schon 1850 nach den Kämpfen der Schleswig-Holsteiner, die in
der Schlacht bei Idstedt und dem Angriff auf Missunde mit dem Sieg der Dänen
endeten, unter Beschlagnahme seines Vermögens "infam kassiert". Als "vormärzlicher"
Offizier war er von der dänischen Amnestie ausgeschlossen und mußte außer Landes
gehen.
Völlig mittellos fand er eine Anstellung als Sekretär bei seinem entfernten Vetter Arthur
Bernstorff in Wedendorf, wo er bereits am 23.11.1857, erst 42 Jahre alt, unvermählt
gestorben ist. Auf dem Friedhof in Kirch-Grambow (Bild) war sein Grab, von einem
gußeisernen Gitter umgeben, noch bis 1945 vorhanden, neben dem Grab von Arthurs
Mutter Amerika Bernstorff geb. Riedesel (Bild) , die ein Jahr zuvor gestorben war. Sein
hartes Schicksal wird ihm vorzeitig das Herz gebrochen haben. Aber er hinterließ
seiner Familie die Erinnerung an einen tapferen Soldaten, der auch in aussichtsloser
Lage seiner schleswig-holsteinischen Heimat und seinem deutschen Volk die Treue
hielt und ein unverdientes Schicksal mannhaft getragen hat.