Seite 108
Zeit in Mecklenburg vermitteln und zum Teil amüsant zu lesen sind. Damals lag die
niedere Gerichtsbarkeit in Mecklenburg noch bei den Gutsherren. Reste davon blieben
bis 1918 bestehen. Die Gutsherren konnten aber diese Gerichtsbarkeit natürlich nicht
selber ausüben, sondern hatten dafür vereinte Patrimonialgerichte für mehrere Güter,
in der Regel für den Bezirk eines ritterschaftlichen Amtes, eingerichtet, für die ein
Volljurist als Justitiar, d. h. als Richter, eingesetzt war. Es war also im Grunde nicht
anders als bei den herzoglichen Gerichten, bei denen ja auch nicht der Herzog,
sondern ein von ihm eingesetzter Richter Recht sprach. Das Othenstorfer
Patrimonialgericht wurde von dem Advokaten Ebert in Gadebusch als Justitiar des
vereinten Patrimonialgerichts gehandhabt.
Aus den vorhandenen Akten ergibt sich nun z. B., daß am 28.1.1824 die Rehnaer
Geistlichen, Praepositus Sondershausen und Pastor Fromm, bei dem Kammerherrn v.
Bernstorff auf Othenstorf Klage darüber führen, daß der Sohn des Schulmeisters
Woltmann mit seiner Braut unter einem Dache wohne, dies aber den Gesetzen
zuwider sei, weshalb die Geistlichen gehorsamst ersuchen, die Verfügung zu treffen,
daß dieses Zusammenwohnen gehindert oder beiden erlaubt werden möge, sich
trauen zu lassen (ohne gutsherrliche Erlaubnis konnte dies also nicht geschehen!). Der
Brief trägt den Vermerk (wohl von Eberts Hand): "Dirne Hildebrandt, Schwängerer
Woltmann“. Auf diesen Brief hin, der von Heinrich Bernstorff offenbar dem Advokaten
Ebert als dem Justitiar des Patrimonialgerichts vorgelegt worden war, wurde von
diesem am 21.2.1824 "gerichtswegen" dem Schulmeister Woltmann "alles Ernstes und
bei einer Strafe von 2 Rthlrn neu 2/3 anbefohlen, die geschwächte Hildebrandt sofort
und längstens binnen 2 mal 24 Stunden aus seinem Hause und nach den Eltern der
Hildebrandt hin zu weisen. Wornach er sich zu richten."
Heinrich Bernstorff war ghzgl. mecklenburgischer Kammerherr. Nach dem Verkauf
Othenstorfs ist er offenbar nach Rostock übergesiedelt. Dort ist er im Alter von fast 70
Jahren am 1.4.1844 an Grippe gestorben und am 4. April dort begraben worden
(Kirchenbuch der Marienkirche).
Aus seiner Ehe waren 6 Kinder hervorgegangen:
a) Joachim August Wilhelm, geb. Othenstorf 20.11.1800. Er wurde aktiver Offizier
und war von 1846 bis 1858 als Oberst Kommandeur des Ludwigsluster Dra-
goner-Regiments, aus welcher Zeit es ein repräsentatives Gemälde gibt, das ihn hoch
zu Roß an der Spitze seines Regiments zeigt. Er wurde dann anschließend kgl. Preu-
ßischer Generalmajor und war zuletzt ghzgl. mecklenburg-strelitzscher Oberstall-
meister. Daneben war er Mitglied der altadeligen Ganerbschaft des Hauses
Alten-Limpurg in Frankfurt.
Am 5.7.1844 heiratete er Wilhelmine Marie Natalie Freiin v. Günderode, geb.
28.1.1807, die in 1. Ehe mit dem 1536 verstorbenen ghzgl. hessischen Kammerherrn,
Generalleutnant und Kriegsminister Frhrn v. Falck verheiratet gewesen war. Aus der
Ehe gingen 2 Kinder hervor:
(1) Natalie Wilhelmine Oktavia, geb. Ludwigslust (Berlin?) 23.5. 1846, †
Darmstadt 23.2.1922, die am 14.12.1869 in Neustrelitz den ghzgl. hessischen
diensttuenden Kammerherrn Maximilian Frhrn v. Bellersheim gen. Stürzelsheim,
geb. Darmstadt 11.4.1841, † ebenda 16.12.1914, heiratete und die
Stamm-Mutter der wenigen jetzt noch lebenden Mitglieder dieser Familie wurde.