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besprochen werden. Die Freuden an einer wohlgeratenen Frucht, einer besonders
kräftigen Varietät, verpflanzt sich von der Heimat zu den Söhnen in der Ferne, und das
ganze Jahr hindurch genießt man selten eine Mahlzeit, zu welcher der Garten nicht
seinen reichlichen Beitrag gespendet hat; fehlt es daran, so klagt man laut über die
Ungunst der Zeiten."
Das Leben in Gartow wurde stark bestimmt durch den Wasserstand der nahen Elbe
und ihre Launen. Der Wasserstand der Elbe war "ein stehendes Kapitel in allen
Briefen. Mit der Möglichkeit, wochenlang nur mit genauer Not, oft nur mit
Lebensgefahr, von und nach Gartow kommen zu können, mußte bei allen Reiseplänen
von Herbst bis Frühjahr gerechnet werden. Die Rücksicht auf Vernichtung der
Heuernte und auf die Hilfe, welche die Bauern verlangen würden, anstatt sie zu leisten,
war eine dunkle Partie in dem jährlichen Budget".
Andreas Gottlieb der Jüngere arbeitete im Geist des Großvaters weiter an dem Ausbau
der Güter. Neben vielen Wirtschaftsbauten ist in seiner Zeit das große Herrenhaus in
Dreilützow vollendet worden. Es zeugt einerseits von Selbstbewußtsein, andererseits
von der Schlichtheit und der Liebe Andreas Gottliebs zum Landleben, wenn er über die
Tür auf der Gartenseite des Hauses folgende Verse des Dichters und
kurbrandenburgischen Staatsmannes Freiherrn v. Canitz (1654-1699) setzte:
"Glückselig ist der Mensch, den ein begrüntes Feld
Von Hochmuth und von Geiz entfernt beschlossen hält,
Und welcher in sich selbst kan ein Vergnügen finden,
Das er nicht nötig hat an fremdes Glück zu binden;
Der Fürstengunst zwar hoch, doch Freiheit höher schätzt,
Und nicht des Pöbels Wahn zu seinem Richter setzt.
Hier ist mein eigner Grund, der mir selbst angestorben,
Hier ist kein Fuß breit Land durch schlimmmes Recht erworben,
Kein Stein, der Wittwen drückt und Waysenthränen preßt,
Kein Ort, der einen Fluch zum Echo schallen läßt."
"Andreas Gottlieb bestrebte sich eifrig, aus jedem Fortschritt für die Landwirtschaft
Nutzen zu ziehen, und durch seine Briefe erhalten wir einen Einblick in ein energisch
fortschreitendes, norddeutsches Wirtschaftssystem. Er verfolgte mit Eifer die deutsche
landwirtschaftliche Literatur und erfuhr auch durch des Bruders Sendungen allerlei
über die englische und französisch-schweizerische. Wo er fremde Landleute traf, war
er immer darauf aus, Neues zu erfragen. Er verschrieb neue Grasarten, Samen für
Wurzelfrüchte und kostbares Saatgetreide aus England und Holland, sowie er jährlich
Blumenpflanzen und Stecklinge aus diesen Ländern erhielt. Auf Vieh- und Pferdezucht
legte er besonderes Gewicht; aus der Zeit des Großvaters waren Gestüte auf den
Höfen; auf den Koppeln um Dreilützow, Wotersen und Wedendorf tummelten sich
ausgesuchte Hengst- und Stutenfüllen, die ein Gegenstand der genauesten
Beaufsichtigung Andreas Gottliebs auf seinen jährlichen Reisen waren; man holte auch
neue Zuchthengste aus Holstein und dem Frederiksborger Gestüt. Für die Veredelung
des Viehbestandes sorgte man durch Einfuhr von Kühen und Bullen aus Holstein und
Schleswig, später von Bornholm und den Moltkeschen Gütern auf Seeland. Es wurden
neue Pflüge und Wagen auf den Gütern zur Probe in Gebrauch genommen, und guter
Rat aus Nah und Fern beim Ausdreschen des Kornes und dem Aufbewahren der
Früchte fand versuchsweise Befolgung."