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vermeintlichen Annexionsgelüste Friedrichs Il. verderbliche Folgen für Mecklenburgs
Freiheit befürchtete. Dieser Partei schloß sich Andreas Gottlieb an, doch so, daß er
sich bestrebte, eine Sonderstellung zu behaupten, die ihm als Vermittler und
Unterhändler aufzutreten erlaubte; denn gerade darin suchte er eine Ehre, wenn es
ihm auch manchmal Undank von beiden Seiten einbrachte.“
"Auf die Anerkennung des Landesherrn legte Andreas Gottlieb nicht weniger Wert als
auf das Vertrauen seiner Standesgenossen.“ "So wie das erste Hauptstück in seinem
leichtfaßlichen politischen Glaubensbekenntnis war, es gelte mit allen
erlaubten „Mitteln die adligen Rechte zu verteidigen, so war das zweite tiefer Respekt
und Loyalität dem Landesherrn gegenüber." Das ging so weit, daß er, obgleich er von
den Fürsten an sich dieselben menschlichen und christlichen Tugenden erwartete wie
von seinen Standesgenossen, auch offensichtliche Fehler der Fürsten übersah und die
Schuld auf schlechte Ratgeber schob. Er sprach auch von Georg Il. und III., die
wahrlich keine vorbildlichen Könige waren, mit warmer Untertanenliebe und war froh
und stolz über Beweise der Anerkennung von Seiten des Königs. Die gleiche
Einstellung hatte er auch gegenüber dem mecklenburgischen Herzog, der auch
seinerseits Andreas Gottlieb großes Wohlwollen und Anerkennung bezeugte.
Insgesamt läßt sich sagen, daß Andreas Gottlieb politisch einen durchaus
selbständigen Standpunkt einnahm. Das Gewicht seiner Stellung als eines der größten
Grundherren des Landes, als Enkel Andreas Gottliebs d.Ä., und als Bruder Johann
Hartwig Ernsts erlaubte es ihm, einen Mittelweg zu gehen, der zum rechten Ausgleich
zwischen den Interessen seiner Mitstände und seiner Vasallentreue gegenüber den
angestammten Fürstenhäusern sowohl in Hannover wie in Mecklenburg führte.
Fast 30 Jahre lang hat Andreas Gottlieb als Herr auf Gartow und als senior familiae
gewirkt und ebenso lange im öffentlichen Leben Hannovers und Mecklenburgs
gestanden, bis in seinem 60. Lebensjahr sein Leben zur Neige ging. Bis zuletzt war er
gesund. Bis wenige Monate vor seinem Tode hat er in das von seinem Großvater
angelegte Gartower Buch mit Sorgfalt alle grossen Familienereignisse, Geburten,
Heiraten und Todesfälle, eingetragen und bei den Todesfällen eine anschauliche
Charakteristik des Verstorbenen hinzugefügt, wodurch er der Erforschung der
Geschichte unserer Familie unschätzbare Dienste geleistet hat. In der nächsten
Generation ist dieses Buch in Vergessenheit geraten; erst der Enkel Ernst hat es
wiedergefunden und fortgeführt. Er hat darin nachgetragen, daß sein Großvater
Andreas Gottlieb d.J. am 20.8.1768 zu Gartow gestorben ist. Nach der Todesanzeige
Andreas Peters an den Dreilützower Verwalter war der Tod "nach einer
ausgestandenen beschwehrlichen skorbutischen Krankheit" eingetreten.
Die Beurteilung von Aage Friis über diesen Stammvater der gräflichen Linie unserer
Familie, dessen beide Söhne die Äste Gartow-Wedendorf und Wotersen-
Dreilützow-Stintenburg begründeten, gipfelt in dem Satz: "Daheim und draußen in der
Welt trug sein Wesen das Gepräge kräftiger Selbständigkeit und breiter Natürlichkeit."