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Und Helmuth Rössler schreibt in seinem Buch "Größe und Tragik des christlichen
Europa" über ihn (S. 344): "Er war ein strenger, aber fürsorglicher Patriarch seiner
Bauern, ein tätiger Christ, ein aufrechter Adliger, der auf den Landtagen von Celle und
Schwerin stets für eine Versöhnung zwischen Fürsten- und Landesnutzen eintrat. Stolz
bekannte sich der treue Anhänger des habsburgischen Kaisertums als ein Mann, 'der
Fürstengunst zwar hoch, doch Freiheit höher schätzt'."
38. Johann Hartwig Ernst . 1712-1772. ( Bild 2 )
(Literatur: Helfrich Peter Sturz, Schriften, Zweyte Sammlung, Frankfurt und Leipzig
1785, S. 68 - 119 "Erinnerungen aus dem Leben des Grafen Johann Hartwig Ernst von
Bernstorf"; Aage Friis Die Bernstorffs, Erster Band Leipzig 1905; Aage Friis Die
Bernstorffs und Dänemark, Il. Band, Bentheim 1970; Hellmuth Rößler, Größe und
Tragik des christlichen Europa, Verlag Moritz Diesterweg 1955, S. 343-369, "Adelswelt
und Volksideal. Die Bernstorffs“.)
Als Johann Hartwig Ernst am 13. Mai 1712 als jüngstes Kind seiner Eltern geboren
wurde, stand der Großvater Andreas Gottlieb d.Ä. auf der Höhe seines Ruhmes. Ein
Jahre zuvor war er Premierminister in Hannover geworden, zwei Jahre später sollte er
als erster Berater des Kurfürst-Königs mit nach England gehen und dort für einige
Jahre entscheidenden Einfluß auf die englische und darüber hinaus auf die
europäische Politik ausüben. Johann Hartwig Ernst wuchs unter den Augen des
Großvaters heran und hatte seinerseits den Großvater vor Augen, insbesondere als
dieser 1720 aus dem Staatsdienst ausschied und fortan mit Tochter und
Schwiegersohn und ihrer Familie in Gartow oder zeitweise in Hannover in
gemeinsamem Haushalt lebte. Der Großvater beobachtete mit großem Interesse
Anlagen und Fähigkeiten der Enkel. Am meisten interessierte ihn Johann Hartwig
Ernst. Er beschäftigte sich viel mit ihm, und das Bild des Großvaters prägte sich
unauslöschlich in das Gedächtnis des Knaben ein. Er erwähnte selten seinen
Großvater, ohne ihn seinen Wohltäter zu nennen, und niemandem auf der Welt wollte
er lieber ähnlich sein als ihm.
Weil Johann Hartwig Ernst zusammen mit seinem um 4 Jahre älteren Bruder Andreas
Gottlieb erzogen wurde, traten die Anforderungen der Bildung, wie sie einem Jungen
von Adel in damaliger Zeit zuteil wurde, sehr früh an ihn heran. Er war erst vier Jahre
alt, als der kluge, kenntnisreiche und treue Keyßler als Hauslehrer und Hofmeister
nach Gartow berufen wurde, der dann bis zu seinem Tode 27 Jahre als vertrauter
Freund und Berater im Dienst der Familie blieb. Elf Jahre lang wurden die Brüder von
Keyßler in Gartow unterrichtet. Der lebhafte Geist und die wache Auffassungsgabe
Johann Hartwig Ernsts ließen ihn sehr frühzeitig sich entfalten, so daß er mit 15 Jahren
reif genug und genügend vorgebildet war, um im Herbst 1727 mit seinem Bruder unter
Keyßlers Obhut und Anleitung die Universität Tübingen zu beziehen. "Was Andreas
Gottlieb an Reife voraus hatte, holte Johann Hartwig Ernst durch seinen hellen Kopf
und große Lernbegierde ein" (Aage Friis).