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antrat - anscheinend hatte es vor ihm keinen ständigen Gesandten Dänemarks in
Dresden gegeben - war gerade August der Starke gestorben und August Ill. war ihm
auf dem Thron gefolgt, der mit Stanislaus Leszinsky um die Krone Polens kämpfen
mußte. Dänemark war in diesem Kampf neutral, und Johann Hartwig Ernst mußte also
sehr vorsichtig lavieren. Er begleitete August III. 1734 nach Warschau und blieb dort
bis 1736. Er hatte dadurch Gelegenheit, sowohl die sächsischen wie die polnischen
Verhältnisse gründlich kennenzulernen, und erhielt auch in der Krise jener Jahre an
diesem Brennpunkt der damaligen europäischen Politik einen Einblick in die Politik
Rußlands, Oesterreichs und Preußens, der ihm später sehr zustatten kam. Außerdem
schuf er sich persönliche Verbindungen zum polnischen Großadel, insbesondere zu
den Geschlechtern Czartoriski und Poniatowski, die seine sächsisch-polnischen Jahre
überdauerten.
Es lag in Johann Hartwig Ernsts Wesen, überall leicht Bekanntschaften anzuknüpfen
und sich zu einem gesuchten und geschätzten Gesellschafter zu machen. Er war, wie
man heute sagen würde, außerordentlich kontaktfreudig. Er wurde, wohin auch immer
er kam, Mittelpunkt. und da damals wie später die Diplomaten der europäischen
Länder eine große international miteinander bekannte und verflochtene Gesellschaft
waren, war er in diesem Kreise bald bekannt und angesehen.
Ende 1736 nahm die Dresden-Warschauer Zeit ihr Ende. Johann Hartwig Ernst, der
inzwischen zum Etatsrat ernannt worden war, wurde 1737 als Gesandter an den
ständigen deutschen Reichstag nach Regensburg geschickt, "kein diplomatischer
Posten, sondern eine Schule in deutschem Staatsrecht", wie ein Freund ihm schrieb.
Hier waren keine Lorbeeren zu ernten. Der erstarrte Apparat dieses Reichstages blieb
in den unbedeutendsten Formalitäten hängen; wichtige Entscheidungen kamen kaum
zustande. Johann Hartwig Ernst ging denn auch ungern hin und nahm trübselig die
Strapazen der Reise auf sich. Wir erfahren, daß die Wege von Dresden nach
Regensburg von heftigen Regengüssen aufgeweicht waren und der Wagen mehr als
20 mal umwarf und entzwei ging! Man kann sich heute kaum mehr eine Vorstellung
davon machen, unter welchen Bedingungen unsere Vorfahren damals gereist sind.
Immerhin hatte Johann Hartwig Ernst, während er in Dresden und Warschau nur
Beobachter auf der weltpolitischen Bühne gewesen war, in Regensburg seine erste
politische Aufgabe zu lösen, deren Bedeutung uns zwar heute kaum mehr verständlich
ist, die aber damals für sehr wichtig gehalten wurde. Die 60 Mitglieder des
Fürstenkollegiums im deutschen Reichstag gaben nämlich ihre Stimme in einer
bestimmten Reihenfolge nach ihrem Rang ab. Und die Könige von Dänemark, die nur
in ihrer Eigenschaft als Herzöge von Holstein-Glückstadt dem deutschen Reich
angehörten, rangierten hier erst als Nr. 35, womit sie von jeher unzufrieden gewesen
waren. Ein Aufrücken um nur wenige Stufen mußte sie in die Reihe der sogen.
alternierenden Fürsten bringen. Es hatten nämlich einige Fürstenhäuser, welche die
Nummern 24 - 33 innehatten, darunter auch Mecklenburg, untereinander vereinbart,
ihre Stimmen nach einem gewissen Turnus abzugeben. Wenn der König von
Dänemark in diese Gruppe einrückte, so konnte er im Rahmen des Turnus bis auf den
24. Platz aufrücken. Bei dem großen Gewicht, das man damals staatsrechtlichen und
politischen Formen beimaß, gehörten zur Er-