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mehrmals wöchentlich schrieben sie einander und behandelten freimütig die
politischen Verhältnisse und die Personen ihrer Bekanntschaft. "Schwärmerisch
gedenkt Frau von Belle-Isle jedes Jahr des 12. Juli, des Jahrestages ihres ersten
längeren Gesprächs, das 1741 den Grund zu einer Freundschaft gelegt hatte, die, wie
beide hofften, 'ewig und unveränderlich' fortbestehen sollte." (Aage Friis).
Man ist versucht zu denken, daß die Beziehungen Johann Hartwig Ernsts zu Madarne
de Belle-Isle das erlaubte Maß überschritten hätten. Aber dafür gibt es keinerlei
Anhaltspunkt. Aus den hinterlassenen Briefen sieht man deutlich, daß ihr Verhältnis
das Licht nicht zu scheuen hatte. Der Marschall war in ihre Freundschaft eingeweiht,
die vertrautesten Briefe seiner Frau an Johann Hartwig Ernst schließen zuweilen mit
einem Nachwort oder einem Gruß von ihm. Er lebte mit seiner Frau in einer für
damalige Zeiten ungewöhnlich glücklichen Ehe, und nach allem, was man weiß, hat es
auch damals kein Gerede über die Beziehungen Johann Hartwig Ernsts zur
Marschallin gegeben. Gemälde von ihr und dem Marschall hängen in Wotersen. Es
sind gute Kopien nach den Originalen von Hyacente Rigaud. Der dänische Assessor
und spätere Historiker Terkel Kleve, der damals nach Frankfurt kam, schreibt in
seinem Tagebuch über die Marschallin: (sie saß am Spieltisch) "und hier en jouant
beehrte sie auch mich mit einem Blick, was jedoch, wie ich sagen muß, sehr
gracieusement geschah. Sie ist eine Dame von keinen großen Anstalten, aber umso
mehr anmutig, sanft und unaffektiert und hat bei weitem nicht ein solches Wesen,
wodurch die französischen Damen sich zu distinguieren pflegen, sondern ist stiller,
immer sanft und angenehm und wegen ihres agreablen Wesens adoriert und
estimiert,“.
Im Herbst 1743 ging Johann Hartwig Ernsts Frankfurter Aufenthalt zu Ende. Im
Frühjahr hatte er noch den Kaiser Karl VII. von Frankfurt nach Bayern begleiten
müssen auf einer fürchterlichen Reise, die noch im April durch tiefen Schnee oder
überschwemmte Wege führte. Er fuhr in einem leichten Postwagen, der mit 6 Pferden
und 4 Ochsen (1) bespannt war und kam entsprechend langsam vorwärts. In München
blieb er nur einen Monat; denn der Kaiser, der mit Oesterreich im Kriege lag, mußte
vor den oesterreichischen Truppen über Augsburg nach Frankfurt zurückfliehen.
Der dänische König war mit Johann Hartwig Ernsts Arbeit außerordentlich zufrieden
und plante schon ein Jahr nach der Ernennung zum Gesandten beim Kaiser eine
Verwendung Johann Hartwig Ernsts in noch wichtigerer Stellung. Zunächst war an St.
Petersburg gedacht. Johann Hartwig Ernst lehnte diesen Posten aber mit Rücksicht
auf seine Gesundheit ab. Er war damals keineswegs gesund, befürchtete das
Auftreten von Nierengries und war keinen Tag ohne Schmerzen. Er schrieb, daß er
schon die Reise, sodann das Klima, am meisten aber das Leben bei Hofe dort fürchte;
ein Gesandter in Rußland müsse gehörig trinken können, um Anerkennung zu finden
(!); er, der oft nur Wasser trinken könne, wage nicht, seiner Gesundheit so viel
zuzumuten.
Die Ablehnung des St. Petersburger Postens war sein Glück. Denn nunmehr wurde
ihm der Gesandtenposten in Paris angeboten,