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die willkommenste Aufgabe, die er sich vorstellen kannte. So folgten nun die 6
vielleicht glücklichsten Jahre in Johann Hartwig Ernsts Leben, seine Gesandtenzeit in
Paris.
Es ist nicht Sache dieser familiengeschichtlichen Darstellung, Johann Hartwig Ernsts
diplomatische und politische Leistungen als Gesandter in Paris zu schildern. Wir
müssen uns beschränken auf das, was in persönlicher Hinsicht für ihn von Bedeutung
war und was zur weiteren Entwicklung seiner Anlagen und Fähigkeiten beigetragen
hat. Denn diese 6 Jahre von 1744-1750 umfassen sein 33. bis 39. Lebensjahr und
rundeten ihn zu der Persönlichkeit ab, die dann imstande war, in den Konseil des
Königs einzutreten und für rund 20 Jahre die Leitung der Deutschen Kanzlei und damit
der Außenpolitik Dänemarks zu übernehmen.
Aber so viel muß doch gesagt werden, daß Johann Hartwig Ernst mit großem
Mißtrauen in Paris aufgenommen wurde. Er war ja Hannoveraner , und man glaubte
daher, daß er hannoversch-englisch und österreichisch gesinnt sei, und das war bei
der damaligen politischen Konstellation in Paris sehr unerwünscht und verdächtig.
Auch Friedrich der Große von Preußen warnte in Paris vor ihm; er ging sogar so weit,
ihn durch seinen Gesandten zu beschuldigen, daß er von der hannoverschen
Regierung gekauft sei. Johann Hartwig Ernst gelang es aber, das Mißtrauen
vollkommen
zu überwinden, und zuletzt war es gerade der französische
Außenminister, der sich nach dem Tode des dänischen Außenministers Schulin darum
bemühte, daß Johann Hartwig Ernst sein Nachfolger würde.
Die politische Atmosphäre zwischen Dänemark und Frankreich war gespannt, als
Johann Hartwig Ernst sein Amt in Paris antrat. Er hatte den Auftrag. ein gutes
freundschaftliches Verhältnis zwischen beiden Ländern wiederherzustellen, und dies
hat er auch in vollem Umfang erreicht, wobei er sich nicht scheute, erforderlichenfalls
die dänische Regierung vor politischen Handlungen zu warnen, die in Frankreich als
Zeichen einer Abweichung von der freundschaftlich neutralen Haltung Dänemarks
gewertet werden würden. Das bedeutete aber nicht, daß er den französischen
Auffassungen und Wünschen blindlings nachgab. Vielmehr festigte er seine Stellung
und das Vertrauen, das er sich erwarb, gerade dadurch, daß er zwar geschmeidig und
verbindlich auftrat, aber auch kraftvoll die Interessen seines Landes vertrat. Er hatte
den Erfolg, daß Frankreich die einseitige Unterstützung Schwedens gegen Dänemark
aufgab und ein freundschaftliches, wirtschaftlich fundiertes Verhältnis zu Dänemark
aufnahm.
Natürlich nahm Johann Hartwig Ernst in Paris die enge Freundschaft zum Hause
Belle-Isle wieder auf, und die Beziehungen zur Marschallin wurden jetzt womöglich
noch enger als vorher. Rößler schreibt darüber: "Tagtäglich flogen die Billetts von Haus
zu Haus, um jeden Gedanken, jedes Gefühl für und über den anderen, über die
Tätigkeit und das Befinden auszutauschen: Kleines und Großes in anregendem
Wechsel. Madame kümmerte sich um jede Einzelheit der Möblierung und
Lebensführung im Junggesellenhaushalt des Freundes; er wiederum übersandte
ausgesuchte Parfums, Pomaden, Seifen, deutsches