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definiert sie selber mit den Worten, daß sie darin bestehe, Gott über alle Dinge und
von allen Kräften zu lieben und seinen Nächsten als sich selbst.“
Sechs Jahre blieb Johann Hartwig Ernst in Paris. Dann reiften in Kopenhagen Pläne,
ihn zurückzurufen und ihn zum Nachfolger des alternden Außenministers Grafen
Schulin, eines zu dieser Stellung aufgestiegenen sehr fähigen fränkischen
Pfarrersohnes und Hofmeisters der Bayreuther Geschwister der dänischen Königin, zu
machen. Schulin selbst deutete gegenüber dem französischen Außenminister
Puisieulx, der ihm das unbeschränkte Vertrauen und die große Achtung der
französischen Regierung für Johann Hartwig Ernst zum Ausdruck brachte, solche
Absicht an. Aber ehe es soweit war, starb Schulin im April 1750, und die Frage der
Nachfolge wurde mit einem Schlage akut.
Nunmehr erging der offizielle Ruf an Johann Hartwig Ernst, der Paris verließ und nach
Kopenhagen kam. Aber er hielt eine schon vorher erklärte Ablehnung, den Ruf
anzunehmen, aufrecht. Neben den Rücksichten auf seine Gesundheit - das kalte Klima
Dänemarks und seine schlechten Augen bedrückten ihn - war es ein anderer,
entscheidender Grund, der ihn hinderte, den Ruf anzunehmen. Er dachte der
damaligen Zeit entsprechend dynastisch, und fühlte sich mit Rücksicht auf seine
Herkunft aus Gartow und auf seine, Güter Wotersen und Stintenburg, die im
Lauenburgischen lagen und also damals auch zu Hannover gehörten, als Vasallen des
Königs-Kurfürsten von England-Hannover. Und gerade zu dieser Zeit ließ ihn der Prinz
Friedrich von Wales, der Sohn und vielleicht schon baldige Nachfolger des Königs
Georg II. von England, wissen, daß er seine Herkunft nicht vergessen solle und daß er,
der Prinz, ihn bei einem Thronwechsel zum Premierminister von Hannover machen
wolle. Johann Hartwig Ernst fühlte sich durch die Vasallentreue und sein Verhältnis
zum Prinzen von Wales gebunden. Aber da starb dieser am 20.3.1751 vor seinem
Vater und damit fühlte Johann Hartwig Ernst sich nicht mehr gebunden. Im Mai 1751
wurde er zum Mitglied des Konseils, d. h. zum Minister ernannt und wurde Chef der
Deutschen Kanzlei und damit Leiter der dänischen Außenpolitik. Jetzt nahm Johann
Hartwig Ernst, der in dem hinter ihm liegenden Jahr sich besser, als er erwartet hatte,
in Kopenhagen eingelebt hatte, mit Freuden diese Berufung an.
Am 1. Oktober 1751 trat er sein Amt an, das er 19 Jahre lang ausüben sollte, in denen
er zu einem der bedeutendsten Staatsmänner Dänemarks wurde. Der
Legationssekretär Peter Helfrich Sturz, Sekretär in der Deutschen Kanzlei und mehrere
Jahre Johann Hartwig Ernsts Privatsekretär, schreibt in seinen Erinnerungen an ihn (S.
73): „Er dachte und handelte am Ruder des Staates, wie ein tugendhafter Mann in der
bürgerlichen Gesellschaft zu denken und zu handeln gewohnt ist." Er "bewies, daß
redlich handeln die vorteilhafteste Staatskunst sei, anstatt daß ein Gewebe von
Ränken nur eine Zeit lang gelingt und endlich unfehlbar die Verachtung, und den
Abscheu aller Völker gegen den Betrüger vereinigt." "Er glaubte nicht, daß ein
glänzender Endzweck einen ungerechten Schritt entschuldigen könne, nicht, daß unter
Königen eine andere Rechtschaffenheit gelte als unter den niedrigsten Erdbewohnern."
In seiner Politik ließ sich Johann Hartwig Ernst von drei großen Hauptzielen leiten: "Er
kämpfte für die Erhaltung des Friedens