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So erhielt die königliche Linie bei der Teilung sowohl Teile von Schleswig wie von
Holstein, wie umgekehrt auch die Nebenlinie, die sich fortan nach ihrer Residenz
Gottorp nannte. Im Lauf der Zeit führte das Übergewicht der königlichen Linie zur
Feindschaft der Gottorper, die sich auf Schweden stützten. Als nun der Gottorper
Herzog, durch seine Mutter Anna ein Enkel Peters d.Gr., 1762 als Peter III. Zar von
Rußland wurde, erkannte Johann Hartwig Ernst, daß hier nicht nur Schweden, sondern
nunmehr auch Rußland, das mit Schweden befreundet war, einen Pfahl im Fleisch
Dänemarks hatte und daß es vordringliche Aufgabe der dänischen Politik sein müsse,
diese existenzbedrohende Gefahr für Dänemark zu beseitigen. Das ist ihm gelungen,
und damit hat er sich ein zweites unvergängliches Verdienst erworben.
Es kam ihm dabei zugute, daß Peter III. noch im gleichen Jahr ermordet wurde und
seine Gemahlin Katharina Il. geborene Prinzessin von Anhalt-Zerbst, deren Mutter
wieder eine Prinzessin von Holstein-Gottorp war, sofort die Truppen zurückzog. Nun
begann Johann Hartwig Ernst mit Caspar v. Saldern, der Peter III. nach Rußland
gefolgt war und dort auch nach Peters Tod bestimmenden Einfluß auf die russische
Politik hatte, über einen Ausgleich zu verhandeln. Saldern sah die einzige
glückverheißende Lösung in der Vereinigung auch des holsteinischen Anteils Gottorps
mit dem dänischen Anteil, nachdem schon 1720 noch dem Untergang Karls XII. von
Schweden der gottorpsche Anteil an Schleswig zu Dänemark gekommen war. Der
Zarin Katharina II. war an Gottorp wenig gelegen, sie hatte Verständnis für die
Bestrebungen Salderns und Johann Hartwig Ernsts, und so kam es 1764 zu einem
Vertrag, durch den Dänemark den Anteil Gottorps an Holstein erhielt, während es
seinerseits das dänisch Oldenburg mit Delmenhorst an eine Gottorper Nebenlinie
abtrat. Das Inkrafttreten dieses Vertrages hat Johann Hartwig Ernst allerdings nicht
mehr erlebt. Denn der Vertrag sollte erst bei Volljährigkeit des russischen Thronfolgers
Paul im Jahre 1773 wirksam werden. "Damit war Dänemark gesichert. Zwischen den
starken Stützen Frankreich und Rußland konnte es sich entfalten und der englischen
Seevormacht die Stirne bieten. Die 'Ruhe des Nordens' war durch die Regelung der
Frage Schleswig-Holstein hergestellt und dieses befriedet. Bernstorffs Außenpolitik
wurde ein triumphaler Beweis christlich-aufgeklärter Vernunft über alte, gefährliche
Traditionen" (Rößler).
Johann Hartwig Ernsts innenpolitsche Grundsätze waren gleichfalls von
christlich-aufgeklärter Vernunft geprägt. Er hatte in Frankreich das merkantilistische
Wirtschaftssystem kennengelernt und führte dieses auch in Dänemark ein. Er förderte
die eigene Industrie und den Handel. Bis dahin hatte die englische Flotte das Holz
Nord- und Osteuropas und Fische an Frankreich geliefert. Schon in Paris hatte Johann
Hartwig Ernst versucht, den englischen Zwischenhandel mit den Produkten des
dänisch-norwegischen Reiches zu Gunsten eines eigenen dänischen Handels
zurückzudrängen. Jetzt widmete er sich mit verstärkter Energie diesem Problem. Er
errichtete große Fabriken in Dänemark, die Flotte wurde ausgebaut und so England
aus dem Handel mit Nord- und Osteuropa verdrängt. Die Flotte führte auch dem
ganzen europäischen Kontinent die Rohstoffe aus den dänischen westindischen
Kolonieen zu, die jetzt sehr gefördert wurden. Johann Hartwig Ernst machte die
dänischen Kaufleute, die er noch in