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Paris als unzuverlässig und betrügerisch bezeichnet hatte, zu wettbewerbsfähigen
Geschäftsleuten im europäischen Handel. Bei diesen Bemühungen kam ihm zustatten,
daß er dem Land nicht nur den Frieden zu erhalten verstand, sondern daß darüber
hinaus Dänemark an den Lieferungen für die kriegführenden Mächte verdiente.
Das merkantilistische Wirtschaftssystem, das Johann Hartwig Ernst vertrat, bedeutete,
daß jeder einzelne Staat wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen sollte. "Das Bargeld,
Quelle jeden Reichtums, sollte im Lande bleiben, die Einnahmen durch Ausfuhr
müßten die Ausgaben durch Einfuhr übersteigen." "Die nationale Industrie sollte auf
möglichst vielen Gebieten ausländische Waren verdrängen, und die wachsende
Fabriktätigkeit für eine ständig zunehmende Menge von Menschen Arbeit geben. So
sollte die wirtschaftliche Selbständigkeit steigenden Wohlstand und ein Anwachsen der
Bevölkerung bewirken und dadurch die politische Macht und Selbständigkeit des
Staates vermehren." (Aage Friis II 199).
Aus diesen Anschauungen heraus holte Johann Hartwig Ernst Ausländer ins Land, die
ihm als geeignet erschienen, Fabriken zu gründen und Industrie wie Handwerk in
Dänemark zur Blüte zu bringen. Solche Unternehmer wurden mit großen staatlichen
Subventionen gefördert, und darüber hinaus wurde die aufstrebende Wirtschaft
Dänemarks durch wirkungsvolle Schutzzölle abgeschirmt. Man muß Johann Hartwig
Ernst zugestehen, daß er mit ungeheurem Fleiß sich um alles gekümmert hat, um
seine in der Theorie richtigen Anschauungen in die Praxis umzusetzen.
Aber er hat nicht gesehen, daß es kaum möglich war, durch Wirtschaftslenkung von
oben her, durch Hereinholen Fremder, die die dänischen Verhältnisse nicht kannten,
sowie mit Subventionen und Schutzzöllen den großen Vorsprung der ausländischen
Industrieen aufzuholen. So war die von ihm geförderte Gründung von Fabriken im
Ganzen ein Fehlschlag. Die Unternehmen hielten sich nicht, weil sie nicht zu den
Preisen der großen und eingespielten ausländischen Konkurrenz arbeiten konnten und
auch deren Qualität nicht erreichten. Hinzu kam, daß Johann Hartwig Ernst bei der
Heranziehung und Förderung von Ausländern mangelnde Menschenkenntnis und eine
fast naive Gutgläubigkeit zeigte. Allzu großer Optimismus und ein Mangel an Gefühl für
die Praxis führten dazu, daß er wiederholt und im Großen auf unzuverlässige Elemente
und Betrüger hereingefallen ist.
Die eingetretenen Fehlschläge führten begreiflicherweise zu harter Kritik. Die Folge
war, daß er 1767 aus dem Kommerzkollegium ausschied und sich hinfort auf die
Deutsche Kanzlei und die Außenpolitik beschränkte, in der er weiterhin anerkannter
Meister war.
Wenn somit Johann Hartwig Ernsts Wirken zur Hebung der dänischen Industrie und
Manufaktur im Ganzen nicht den Erfolg hatte, den er sich vorgestellt hatte, so hat er
auf einem anderen Gebiet doch bahnbrechend gewirkt. Die Verbindung von
Christentum und Aufklärung in seiner Grundhaltung führte zu einer ganz anderen
Einstellung gegenüber dem Volk und speziell zu seinen Bauern und sonstigen
Untergebenen, als sein Bruder