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lich Abschreckendes oder Widerliches an ihr wäre." "Man muß seine Frau ohne
Erröten und ohne Beklemmung vorstellen können. Eine fortwährende Verlegenheit in
der Ehe ist unerträglich." Diese Grenzen für die Auswahl einer geeigneten Braut sind
nun allerdings verständlich. Aber Johann Hartwig Ernst setzt auch positive Akzente für
seine Entscheidung: "Das Entscheidende ist für mich der Charakter der Dame. Wenn
ich hoffen darf, daß ich eines Tages in ihr eine angenehme und verständige Freundin
finden werde, die mein Haus behaglicher für mich und meine Freunde macht, würde
ich die Sache wert erachten, alles darauf zu wagen, aber wenn diese Hoffnung
ausgeschlossen ist, locken die übrigen Vorteile mich nicht. Ich will jeden Gedanken an
eine Verbindung aufgeben, wenn das junge Mädchen ein schlechtes oder gar kein
Herz hat, oder wenn sie eine entschiedene Neigung zu irgend einer Untugend oder
einer Lächerlichkeit hat, oder wenn sie von streitsüchtiger und unverträglicher
Gemütsart ist."
Durch Vermittlung seines Freundes und Ministerkollegen Graf Desmercieres, dessen
Schwester und Erbin von Gyldensteen die Ahnfrau des Zweiges WotersenGyldensteen
unserer Familie wurde, wurde Charitas Emilie v. Buchwald, die trotz ihrer Jugend
schon Klosterdame in Preetz war, als geeignete Braut gefunden. Johann Hartwig Ernst
erkundigte sich über Desmercieres genau, "ob sie einen entschiedenen Hang zu
Eitelkeit und Geiz habe, ob sie in hervorragender Weise leichtsinnig, geschwätzig,
eigensinnig oder zänkisch sei, oder im Gegenteil ein sanftes, gelehriges Gemüt
besitze, ob sie imstande zu sein scheine, ihre Tanten (womit offenbar Eleonore Marie
v.B., Joachim Engelkes Schwester und Äbtissin in Mariensee, sowie deren Schwester
Sophie Agnes v.B., verheiratete Generalin v. Zastrow, gemeint waren) und deren
Freundinnen zu lieben, ob sie ihren Genossinnen Freundschaft und ihren
Untergebenen Güte beweise". Auch wollte er gerne wissen, "ob sie irgend eine
Begabung oder Kenntnisse oder Geschmack für Konversation oder Lektüre habe".
Nach vielem hin und her war es schließlich so weit, daß beide sich kennen lernten.
Johann Hartwig Ernst fand, daß Charitas Emilie zwar "nicht sehr schön" sei, aber auch
"nicht unangenehme“ aussehe. So kam es denn am 17. September 1751 auf dem
damals Desmerciereschen Gut Emkendorf zur Verlobung. Johann Hartwig Ernst
schrieb dazu an einen alten Freund: "Eine solche Sache ist stets mit großem Risiko
verbunden, und ich habe lange gezögert, ehe ich mich dareinfand; aber ich glaube der
Stimme der Vernunft gefolgt zu sein, oder dem, was man für gewöhnlich mit diesem
schönen Namen bezeichnet. Das Mädchen ist liebenswürdig, wohlerzogen und hat
einen, wie ich annehmen darf, zuverlässigen, guten Charakter. Vater und Mutter sind
außerordentlich brave Leute, die Mitgift sehr anständig, die Hoffnungen für die Zukunft
noch besser (Charitas Emilie sollte einmal Borstel erben); kurz, das alles rechtfertigt
meine Wahl. Ein glücklicher Ausfall hängt von der Vorsehung ab, die ich um
Barmherzigkeit anflehe."
Johann Hartwig Ernsts Pariser Legationssekretär Wasserschlebe, der noch an der
Gesandtschaft in Paris tätig war, wurde beauftragt, zusammen mit Madame de
Belle-Isle einen prächtigen Schmuck für die junge Braut zu besorgen, und am 27.
Dezember 1751 fand in aller Stille in Fjurendal auf Seeland bei einer hochbetagten
Tante der Braut, der Großkanzlerin Christine Sophie v. Holstein, die Hochzeit statt.