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Alsbald nach seiner Heirat erbaute Johann Hartwig Ernst das repräsentative
Stadtpalais an der Bredgade (Bild), das noch heute eine Zierde Kopenhagens ist. Er
bemühte sich, seinen neuen Wohnsitz zu einem Muster an Geschmack und Kunstsinn
zu machen. Er wollte sich wieder mit der Schönheit und Behaglichkeit umgeben, an
der er sich seine Pariser Jahre hindurch erfreut hatte. Was er sich in Paris angeschafft
hatte, kam nun auf dem Seewege von Rouen nach Kopenhagen, kostbare Möbel,
seine große Büchersammlung in zum Teil von dem berühmten Pariser Buchbinder la
Ferté hergestellten Einbänden. Darüber hinaus ließ Johann Hartwig Ernst in den
folgenden Jahren neue Sendungen von Hausrat und Kunstgegenständen aus Paris
kommen, wobei er wenig nach dem Preis fragte. Es wurden lange Verhandlungen mit
Architekten und Handwerkern geführt. "Zeichnungen für Möbel, Spiegelrahmen und
Kaminsimse, für Konsolen und Deckendekorationen, und Proben von Tapeten,
Marmor und Vergoldungen wanderten zwischen Paris und Kopenhagen hin und her,
wurden beurteilt und korrigiert" (Aage Friis II 238). Sein neues Palais sollte etwas
Einzigartiges in Kopenhagen werden. Es wurden sogar französische Handwerker zur
Ausschmückung der Räume nach Kopenhagen berufen. Natürlich dauerten die
Arbeiten an dem Palais viele Jahre, und Johann Hartwig Ernst hat bis zu seinem
Lebensende an der weiteren Vervollkommnung gearbeitet.
In diesem Haus konnte sich Johann Hartwig Ernst mit seiner jungen Frau wohlfühlen
und konnte in einer seiner Stellung entsprechenden Weise repräsentieren. Größer als
sein Palais waren nur die königlichen Schlösser und das Palais Adam Gottlob Moltkes,
geschmackvoller als sein Palais aber war keines. Als anläßlich der 1767 erfolgten
Erhebung Johann Hartwig Ernsts und seines Bruders Andreas Gottlieb sowie von
dessen Söhnen Joachim Bechtold und Andreas Peter in den erblichen Grafenstand ein
großes Abendfest mit Tanz im Palais stattfand, an dem auch der König und die Königin
teilnahmen, glaubte Andreas Peter, daß das Palais unwidersprochen für große Feste
das am besten geeignete Haus in ganz Kopenhagen sei. Nicht weniger als 150
Personen hatten an 8 großen Tischen soupieren können.
Johann Hartwig Ernst brachte die Pariser Kultur nach Kopenhagen und lebte sie in
seinem Palais vor. Das in Kopenhagen mit dem Aufblühen der Wirtschaft erstarkende
Bürgertum wurde ebenso wie der Adel zunehmend französisch gebildet. Johann
Hartwig Ernst übernahm aber, indem er das Rokoko und die Aufklärung aus Frankreich
nach Dänemark brachte, nur die großen Leistungen des westeuropäischen Nachbarn;
durch seine christlichen Bindungen blieb er davor bewahrt, "den Exzessen des
geistigen, kulturellen und politischen Radikalismus zu verfallen, der Frankreichs Lage
so kritisch machte" (Rößler).
Johann Hartwig Ernst fand großes Interesse an der englischen Literatur, die durch die
Shakespeare-Übersetzungen Johann Elias Schlegels, des Onkels der bekannten
Romantiker, der damals in Dänemark lebte und als Professor an der Ritterakademie in
Sorö wirkte, bekannt wurde. Schlegel starb zwar schon 1749, aber das Interesse für
die englische Literatur blieb geweckt. Der "Vicar of Wakefield" von Oliver Goldsmith,
der - 1766 - das englische Landleben schilderte, wurde damals viel gelesen,