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zu stürzen: Johann Friedrich Struensee. Es ist hier nicht der Raum, die Struensee-
Affäre darzustellen. Sie kann als bekannt vorausgesetzt werden. Struensee, ein Arzt
aus Altona, Sohn eines frommen Oberkonsistoriairats in Halle, später in Glückstadt,
und Enkel eines Leibarztes Friedrichs V. von Dänemark, war ein Anhänger der
Philosophie Lamettries, daß der Mensch eine von Gott völlig losgelöste und deshalb
moralfreie Maschine sei. Es gelang ihm durch Vermittlung gleichgesinnter
einflußreicher Freunde, Leibarzt des jungen, seit 1766 regierenden Königs Christian
VII. und der Königin Caroline Mathilde, einer Schwester Georgs III. von England, zu
werden. Er wurde der Geliebte der jungen Königin, die an der Seite ihres
schwachsinnigen und lasterhaften Gemahls keine Erfüllung ihres Lebens finden
konnte, und verstand es auf diesem Wege, die Macht an sich zu reißen und Johann
Hartwig Ernst am 13. September 1770 zu stürzen.
Johann Hartwig Ernsts Sekretär Sturz schildert diese Absetzung. Er schreibt: "Ich war
der einzige Zeuge dieses prüfenden Augenblicks. .... Er hatte sich eben zur Arbeit
niedergesetzt, als er das Schreiben des Königs empfing, welches ihn den
Staatsgeschäften entzog. Er las mit ernsthafter Stille und stund mit einem Blick des
Schmerzens auf. 'Ich bin meines Amtes entsetzt', sprach er mit einem gesetzten
bescheidenen Ton und fügte mit gen Himmel erhobenen Augen hinzu: 'Allmächtiger,
segne dies Land und den König'.“
Johann Hartwig Ernst mußte das Land verlassen und zog sich auf seine Güter zurück.
Struensees Herrschaft dauerte nur wenige Monate. In der Nacht des 17. Januar 1772
wurde er verhaftet. Ihm wurde der Prozeß gemacht, und am 26. April 1772 wurde er
hingerichtet. Der Nationaldäne Guldberg, der ihn gestürzt hatte, übernahm die Macht
und versuchte, den deutschen Einfluß in Dänemark auszuschalten. Seine Politik war
aber so ungeschickt, daß man schon 1773 die Bernstorffs gerne zurückgeholt hätte.
Aber Johann Hartwig Ernst war im Jahr zuvor, am 18. Februar 1772, in Hamburg, im
60. Lebensjahr gestorben. Er wurde in einer Gruft an der Kirche zu Siebeneichen
beigesetzt. Diese Kapelle ist, wegen Baufälligkeit jetzt abgerissen worden; die darin
stehenden Särge sind versenkt worden, die Grabstelle befindet sich vor dem Chor an
der Ostseite der Kirche unter dem Rasen. Eine große Gedenktafel an der Kirchenwand
weist auf die hier bestatteten Särge hin.
Charitas Emilie war eine sehr wohlhabende Witwe. Zwar hatte Johann Hartwig Ernst
als Erben seiner Begüterungen seine Neffen Joachim Bechtold und Andreas Peter
eingesetzt, von denen Joachim Bechtold Wedendorf und Andreas Peter Wotersen,
Stintenburg sowie das Stadtpalais in Kopenhagen und Bernstorff Slot erhielt. Andreas
Peter war sogar durch besonderen Vertrag Eigentümer von Borstel geworden, das
Charitas Emilie von ihrem Vater geerbt hatte. Aber sie war durch eine reichliche
Versorgung seitens Andreas Peters gesichert.
Sie war trotz ihrer 20-jährigen Ehe mit Johann Hartwig Ernst erst 38 Jahre alt, als sie
Witwe wurde. Die Ehe war eine reine Vernunftehe gewesen. Aber Johann Hartwig
Ernst hat ein harmonisches häusliches Leben mit seiner jungen Frau geführt. Er