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In einem Brief aus Andreas Peters 15. Lebensjahr schließlich schreibt der Vater an
Johann Hartwig Ernst: "Der Jüngste ist sehr groß und breitschultrig; wenn er Kopf und
Schultern gerade hielte, wäre er ein hübscher Junge, er hat einen freundlichen,
glücklichen Gesichtsausdruck, einen guten Charakter, ist genereux, ein treuer Freund,
liebt Munterkeit und Geselligkeit, alles entzückt ihn, er treibt Studien und Lektüre mit
Leidenschaft, ist lebhaft, aber unordentl. vergessen, ein Wildfang, vorlaut, er antwortet,
ehe man ihn fragt, denkt an 1000 Dinge auf einmal und wirft sie durcheinander, er
urteilt zu bestimmt für sein Alter, er fasset und vergisset alles leicht." Andreas Gottlieb
meint, daß Andreas Peter dem Großvater Joachim Engelke gleiche.
Wir sehen, daß bei Andreas Peter schon sehr frühzeitig eine große geistige
Regsamkeit besteht. Er interessierte sich lebhaft für Politik und Geschichte und
verschlang alle Bücher über berühmte Männer, stürzte sich auf die Zeitungen und
verfolgte die Kriegsereignisse, die rings um ihn her vorgingen, mit einer für sein Alter
ungewöhnlichen Leidenschaft, Er schwärmte für die Politik und Geschichte
England-Hannovers und haßte Frankreich fanatisch. Georgs II. Sieg über die
Franzosen bei Dettingen am 27. Juni 1743, von Haendel in dem berühmten "Dettinger
Tedeum“ gefeiert, brachte den 8-jährigen Andreas Peter fast außer sich vor
Begeisterung.
Neben dem leidenschaftlichen Interesse für alles Geschehen in der Politik und dem
öffentlichen Leben ließen ihn die Ereignisse des ländlichen Alltags in Gartow
keineswegs unberührt. Ein neuer Pflug, eine Änderung im Pferdebestand oder ein
neuer Versuch im Feldbau fesselten sein Interesse. Zuweilen begleiteten er und sein
Bruder mit Stiefeln, "die bis über die Ohren reichten", den Vater über das Feld. Mit
besonderer Freude nahm er an den Jagden im Elbholz teil und prahlte bald mit
eigenen Jagdleistungen. Das Reiten wurde ihm zuerst schwer, aber als er es gelernt
hatte, war er ein passionierter Reiter. Ein Höhepunkt im Gartower Leben war es immer,
wenn der Vater die Söhne einmal auf seine Rundreise zu den verschiedenen Gütern
(Wotersen, Stintenburg, Dreilützow, Wedendorf) mitnahm. Besonders Stintenburg, wo
man auf dem großen Schalsee rudern konnte, erweckte ihre Begeisterung.
Als Andreas Peter 15 Jahre alt war, wurde der Hauslehrer Münter entlassen. Andreas
Gottlieb erwog, ob er jetzt schon die Söhne von Hause weggeben solle. Er gab diesen
Gedanken aber auf, und im April 1750 kam als Nachfolger Münters ein neuer Lehrer
namens Leisching, ein 26-jähriger Student, nach Gartow. Er war ein rechter Vetter des
gleichaltrigen Klopstock (die Mütter waren Schwestern). Kaum einen Monat später war
der mit seinem Vetter befreundete Klopstock selber in Gartow und muß, damals schon
kein ganz Unbekannter mehr, dort gleich großen Eindruck gemacht haben. Hier lernte
auch Johann Hartwig Ernst ihn kennen und holte ihn schon im folgenden Jahr, wie wir
sahen, nach Kopenhagen. Leisching war zwar, wie sich später zeigte, leichtsinnig und
oberflächlich, aber er war kenntnisreicher und vielseitiger als Münter, hatte einen
besseren Charakter als jener und hatte vor allem pädagogisches Geschick. Er war
freundlich und ungezwungen zu seinen Schülern und gewann dadurch bald Andreas
Peters Herz. So war dieser Lehrerwechsel ein bedeutender Fortschritt, und es begann
ein neuer Lebensabschnitt für Andreas