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sie in nähere Beziehungen getreten waren, vor allem Gellert. Dieser war ja zwar ein
Universitätsprofessor, aber seine Vorlesungen gehörten nicht zum eigentlichen
Studium der beiden Brüder, und sein Einfluß auf sie beruhte mehr auf ihrem Verkehr in
seinem Hause.
Im April 1753 endete das Leipziger Jahr, und die Brüder kehrten nach Gartow zurück,
um von dort für die nächsten Semester nach Göttingen zu gehen. Es lag nahe, für das
weitere Studium die Landesuniversität zu wählen, wo der Lehrstoff mehr auf das
zugeschnitten war, was für die Beurteilung der öffentlichen Angelegenheiten
Hannovers zu wissen wichtig war, und wo die jungen Herren auch mehr Verbindung zu
ihren Altersgenossen aus dem Lande bekommen konnten, mit denen sie später zu tun
haben würden.
Die Göttinger Universität bestand damals erst 16 Jahre, gegründet 1737 von dem
großen hannoverschen Minister Gerlach Adolph v. Münchhausen. Durch dessen
intensive Förderung hatte sie sich sehr schnell entwickelt und mit Hilfe tüchtiger
Professoren bald Anerkennung neben den am nächsten gelegenen Universitäten Halle
und Leipzig gefunden, während die Universität Helmstedt, an der noch der Urgroßvater
Andreas Gottlieb d.Ä. studiert hatte, und die die eigentliche Universität der welfischen
Lande gewesen war, unwiederbringlich abstarb. Göttingen war zwar noch klein und
dörflich und hatte seit dem 30-jährigen Krieg, in dem es fast völlig zerstört worden war,
ein kümmerliches und von der Außenwelt fast abgeschnittenes Dasein geführt.
Immerhin muß es auch nach dem 30-jährigen Krieg eine angesehene Schule gehabt
haben. Denn sonst wäre es nicht verständlich, daß Andreas Gottlieb d.Ä. und sein
Bruder Christian Rudolph 1662 aus ihrem Ratzeburger Elternhaus auf die Göttinger
Schule geschickt wurden. Natürlich brauchte Göttingen Zeit, um aus seiner
ruinenhaften Dörflichkeit zu einer Universitätsstadt aufzublühen. Es war, als Joachim
Bechtold und Andreas Peter am 1. Mai 1753 ankamen und am 3. Mai als Studierende
der Jurisprudenz immatrikuliert wurden, noch eine Kleinstadt, zwar mit allen Reizen der
Natur, aber auch mit allen Unzuträglichkeiten der Kleinstadt. Die aus Leipzig mit
seinem verfeinerten Großstadtleben kommenden jungen Herren fühlten sich in eine
Wüste versetzt. Andreas Gottlieb schrieb an Johann Hartwig Ernst: "Göttingen hat
nicht die Ehre, ihnen zu gefallen."
Das Leben in Göttingen war für die Studenten ganz anders als in Leipzig. Während sie
in Leipzig nur ein unbedeutender Bestandteil der geistig und wirtschaftlich lebendigen
Stadt waren, spielten sie in Göttingen die Hauptrolle: neben der Universität mit ihren
Professoren und Studenten gab es in Göttingen nichts. Das führte natürlich zu
Auswüchsen im Auftreten der Studenten, und Andreas Peter schrieb eine Woche nach
seiner Ankunft in Göttingen, er habe sich erst an den von den Studenten verursachten
Spektakel gewöhnen müssen, "zehn in Göttingen machen mehr Lärm als hundert in
Leipzig."
In Göttingen, wo er drei Semester blieb, trieb Andreas Peter mit Fleiß sein Studium
und hörte täglich Vorlesungen über deutsche Reichsgeschichte, Prozeß- und
Staatsrecht, über Lehnrecht und allgemeine europäische Geschichte, aber auch über
braunschweig- lüneburgische Geschichte und über deutsches Zivilrecht sowie