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schließlich noch über Experimentalphysik und Architektur. Daneben lernte er eifrig
Englisch. Die körperliche Ausbildung bestand in morgendlichem Reiten, in Fechten und
im Winter auch in Tanzunterricht. Der Vater fragte immer wieder, ob er auch auf seine
Haltung acht gebe, die offenbar immer noch etwas krumm war.
Göttingen war damals schnell zu einer Universität für diejenigen geworden, die sich für
den Staatsdienst ausbilden wollten, und lief darin Tübingen den Rang ab, wo Andreas
Gottlieb und Johann Hartwig Ernst 25 Jahre zuvor mit Erfolg die für den Staatsdienst
nötigen Kenntnisse gesucht hatten. Dieser Rang Göttingens führte dazu, daß von Jahr
zu Jahr immer mehr Studenten aus allen Kreisen des Adels dorthin kamen. Alle Teile
Deutschlands waren vertreten, aber auch viele Ausländer befanden sich unter ihnen,
besonders natürlich zahlreiche Studenten aus dem durch Personalunion mit Hannover
verbundenen England. Der gesellschaftliche Umgang Joachim Bechtolds und Andreas
Peters beschränkte sich im Gegensatz zu Leipzig hier ganz auf die adeligen
Studenten, mit denen sie sich kameradschaftlich verbanden. Von einem
ZusammenIeben mit Bürgerlichen spürt man aus Andreas Peters Briefen hier nichts. In
dem Kreis ihrer Freunde finden sich fast alle Nationen vertreten, auch viele Holsteiner
und von Andreas Peters künftigen Landsleuten, den Dänen. Nachhaltige
Freundschaften haben sich hier allerdings nicht gebildet, und im Ganzen hatte Leipzig
für die Entwicklung Andreas Peters größere Bedeutung als Göttingen. Die Verlockung
zu Leichtsinn und Vernachlässigung einer zielstrebigen Ausbildung war in Göttingen
größer, der Arbeitseifer ließ nach, und Andreas Peter wurde, wie er selber schreibt, im
Frühjahr 1754, als er nach Semesterschluß in Göttingen blieb, von der Gefahr des
Leichtsinns erfaßt. Seine Freunde hatten Göttingen verlassen, er liebte aber die
Geselligkeit, besuchte nun öffentliche Vergnügungsorte, wurde Billardspieler und kam
überhaupt auf eine schiefe Ebene. Jedoch fing er sich bald wieder. Der Gedanke an
seine Zukunft gewann die Oberhand, und er wandte den Göttinger Versuchungen den
Rücken.
Es ist schwer verständlich, daß Andreas Gottlieb Leisching trotz seines Versagens
auch bei Beendigung der beiden Leipziger Semester noch nicht entließ, sondern ihn
den Söhnen zunächst auch noch nach Göttingen mitgab. Aber auch hier
vernachlässigte er seine Pflichten, kümmerte sich nicht um seine Zöglinge, hielt keine
Ordnung in den Abrechnungen und verbrauchte sogar anvertrautes Geld für sich. So
mußte sich Andreas Gottlieb von ihm trennen, obwohl Andreas Peter trotz seiner
Fehler zu ihm hielt, weil er ihm ein Freund geworden war. "Er ist lebhaft, gefühlvoll,
diskret, treu, denkt und spricht ausgezeichnet; er hat mir immer eine so lebendige,
aufrichtige Freundschaft bewiesen, daß ich mir Vorwürfe gemacht haben würde, wenn
ich sie weniger geschätzt hätte", schreibt Andreas Peter über ihn. Aber er mußte fort
und verließ im Januar 1754 Göttingen. Es ist bezeichnend für Andreas Gottlieb und
Johann Hartwig Ernst, daß sie sich nur sehr schwer von Menschen trennten. Schon
von Münter hatte Andreas Gottlieb sich zu spät getrennt, und als Leisching als
Hofmeister entlassen wurde, ließ man ihn gleichwohl nicht fallen. Nachdem er einige
Zeit in Gartow geblieben war, zog Johann Hartwig Ernst ihn in seine Dienste nach
Kopenhagen, und da er sich dort besser bewährte, wurde er 3 Jahre später