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Probe bestehen könne." Andreas Peter besuchte ihn wiederholt und fand sein
Konversationstalent bezaubernd. Aber er stand ihm sehr kritisch gegenüber. "Ich
möchte ihn gern einen großen Mann nennen, wenn sein eigener Charakter dem nicht
Hindernisse in den Weg legte."
In Andreas Peters Genfer Jahr trat die Frage seines künftigen Lebensweges stärker
hervor. Johann Hartwig Ernst erkannte immer deutlicher, daß ihm hier eine Begabung
heranwuchs, die in die gleiche Richtung ging wie seine eigene, und er wünschte daher
mehr und mehr, Andreas Peter an sich und an seine Arbeit heranzuziehen. Er war
zwar seit 1751 verheiratet, mußte aber erkennen, daß er, nachdem seine Gemahlin
Charitas Emilie mehrere Fehlgeburten gehabt hatte, voraussichtlich keine Kinder
haben würde. So nahm der Neffe bei ihm den Platz eines Sohnes ein. Schon in den
Instruktionen, die er ihm für Genf gab, hatte Johann Hartwig Ernst ihm über die vor ihm
liegenden Pflichten und Aufgaben geschrieben:
"Was ich von Dir wünsche, mein lieber Neffe, und was ich mich auch getröste, von
Deinen Neigungen und Deinem Temperament mir versprechen zu können, ist, daß Du
den Müßiggang und die Beschäftigung mit Dingen vermeidest, von denen die
Gesellschaft keinen Nutzen hat. Du hast Deine Laufbahn und Deinen Beruf gewählt;
Deine ganze Sorge und Mühe muß daher darauf gerichtet sein, Dich dazu geschickt zu
machen und darin zu vervollkommnen. Die Behandlung der Staatssachen stellt viele
Anforderungen; sie verlangt ein Herz und einen Geist von rechtschaffener Art, um nicht
aus der Politik zu machen, was viele andere aus ihr machen - eine Kunst der Lüge und
des Betruges, des Mannes unwürdig und dem Christen verderblich -, einen klaren,
tätigen, mutigen Geist, um nicht in falsche Vorstellungen oder in die Fallen zu geraten,
welche unsere Gegner uns legen, um sich nicht in den eigenen Maßregeln zu
verwirren, um nicht unerledigte Arbeiten sich aufhäufen zu lassen, um sich nicht durch
Schwierigkeiten und Widerstand mutlos machen zu lassen, einen vorsichtigen, hellen,
urteilsfähigen Geist, um nicht zu verraten, was Du verbergen oder verschweigen sollst;
um dem auf den Grund zu kommen, was Dir zu wissen wichtig ist, endlich (um alles zu
erschöpfen, was Du Dir vorgenommen hast) einen gebildeten, unterrichteten Geist, um
aus der Vergangenheit und dem, was in der Ferne geschieht, auf das zu schließen,
was im Augenblick und in der Zukunft getan werden muß. Die Handhabung der Politik
eines Staates verlangt sodann eine genaue Kenntnis seiner Interessen und der Mittel,
womit diese zu befördern sind; und endlich zwingt sie (denn ich will nicht Regeln und
Betrachtungen wiederholen, die alle kennen) zum äußersten Fleiß, zu der Kunst,
Menschen zu überreden und ihre Neigung und ihre Interessen mit dem Ziel zu
verbinden, nach welchem wir sie hinführen wollen. Du siehst, mein lieber Neffe. daß
hier vieles zu tun ist, womit Du die glücklichen Jahre Deiner Jugend reichlich ausfüllen
kannst.“
Im Herbst 1754 erhielt Joachim Bechtold nach Abschluß seiner Studien eine
Anstellung im hannoverschen Staatsdienst, und der Vater fragte Andreas Peter, wie er
seinerseits sich seine Zukunft denke. Andreas Peter antwortete, daß er zwar die
Entscheidung ganz dem Vater überlassen wolle, daß er aber aus