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So verließ Andreas Peter Ende September 1755, eben 20 Jahre alt geworden, Genf.
Inzwischen war in der Pflege seines Äußeren eine Veränderung vor sich gegangen.
Während er sich bislang nicht viel um sein Äußeres gekümmert hatte, fing er jetzt an,
außerordentlichen Wert auf seine Kleidung zu legen. Noch in Genf ließ er sich zwei
kostbare neue Anzüge machen; der eine davon, aus Sammet, war aus Lyon
verschrieben worden. Und in Turin kaufte er wiederum wertvolle gestickte Kleider.
Auch die lange Perücke legte er nun ab und ließ sein Haar wieder wachsen. Von nun
an trug er nach neuester französischer Mode eine Halbperücke mit übergekämmtem
Toupet und Seitenhaar.
Überhaupt begann Andreas Peter, in seiner Lebensführung zunehmenden Aufwand zu
treiben. Hatte schon das Genfer Jahr mehr als 2000 Thaler gekostet, was Andreas
Gottlieb zu viel fand, So bemängelte der Vater während der weiteren Reise, daß
Andreas Peter neben Friedrich Sieverts noch einen zweiten Diener nahm, und fragte
seinen Bruder "Ist es absolut nötig, daß ein junger Kammerjunker ohne Gage Zimmer
bezieht, die ein regierender Fürst für sich passend gefunden hat?" Aber Johann
Hartwig Ernst nahm den Neffen in Schutz, er stehe ja schließlich in königlichen
Diensten und müsse deshalb gewisse Ansprüche erfüllen.
Mit der Reise begann ein neuer Lebensabschnitt für Andreas Peter. "Bis jetzt waren
mir Bücher, Studien und Wissenschaften die Hauptsache, jetzt soll es das Studium der
Menschen und Länder werden", sagte er vor seiner Abreise. Johann Hartwig Ernst
wünschte, daß Andreas Peter zwar mit Vergnügen die Stätten und Schauplätze sehe,
von denen die alten klassischen Schriftsteller geschrieben hätten, mehr noch aber
sollte er sich dem Studium der Kunst, sowohl der Malerei, wie der Skulptur und
Architektur widmen, um seinen Geschmack und sein Verständnis zu bilden und einmal
der Regierung seines Landes und seinem König nützlich sein zu können. Vor allem
aber solle er das Land politisch kennen lernen, d. h. sich Auskunft verschaffen über die
Geistesrichtung der Einwohner, über die Art der Regierung, über die Stärke der
verschiedenen Staaten sowie über ihren Handel und Industrie. Er sollte auch Bücher
und Broschüren, die neuesten Karten und Heereslisten, Bilder der Fürsten und
Minister, und Pläne der Festungen kaufen, und Johann Hartwig Ernst beauftragte ihn,
auch für ihn große Einkäufe an Büchern, Gesetzessammlungen, Kupferstichen, Karten
und Medaillen zu machen.
Andreas Peter reiste von Genf über den Mont Cenis zunächst nach Turin, der
Hauptstadt des damaligen Königreichs Sardinien und Piemont. Dort blieb er 1 1/2
Monate und fand auf Grund von Johann Hartwig Ernsts Empfehlungsschreiben
freundliche Aufnahme vor allem bei dem einflußreichsten Minister des Königs und bei
dem französischen Gesandten Marquis de Chauvelin. Von Turin reiste er nach Genua,
dann zu Schiff nach Lucca und sodann über Livorno und Pisa nach Florenz. Hier gab
es, nachdem Maria Theresias Gemahl Franz Stephan v. Lothringen 1737 das
Großherzogtum Toskana übernommen hatte, keinen Hof mehr; eine Regentschaft
führte die Regierung, die politische Bedeutung von Florenz sank herab. "In Florenz soll
das Studium der Kunst Deine Hauptaufgabe sein", hatte Johann Hartwig Ernst ihm
eingeschärft, aber Andreas Peter scheint nach dem, was wir aus