Seite 188
zu erwartenden Reinertrag von jährlich 1000 Rthlrn errechnet, eine Erwartung, die sich
als völlig verfehlt erwies, weil die zu deckenden Steuerrückstände der Bauern die
Reineinnahmen weit überstiegen. Nunmehr aber hatte Johann Hartwig Ernst einen
sicheren Reingewinn, der noch fühlbar höher war als die früher veranschlagten 1000
Rthlr.
Die von Johann Hartwig Ernst und Andreas Peter durchgeführte Reform erregte in
ganz Dänemark Aufsehen, nicht nur, weil sie durch die hohe Stellung der Reformer
und die Tatsache, daß vor den Toren Kopenhagens eine so auffallende Entwicklung
bäuerlichen Wohlstandes eintrat, in die Augen fiel, sondern weil sie in der Tat über die
bisherigen Reformen Rantzaus und Stolbergs hinaus die entscheidende Neuerung der
Aufhebung der Feldgemeinschaft und die Aussiedlung der Bauern auf ihre neuen
eigenen Ländereien brachte. Die Reform wurde Vorbild für die Entwicklung im ganzen
Lande. Im Januar 1771 schrieb einer der tätigsten Reformfreunde, Christian Ludwig
Scheel-Plessen, an Johann Hartwig Ernst: "Das ist die einzige und wahre Art, die
Bauern glücklich zu machen. Solange Dänemark besteht und es hier Bauern gibt,
werden sie Ihnen Dank schulden, weil Sie der erste sind, der den Weg gezeigt hat, sie
glücklich zu machen und ihnen gute Lebensbedingungen zu schaffen".
Während die „Bauernbefreiung“, zwar noch zu Johann Hartwig Ernsts Zeiten
geschehen, doch in erster Linie Andreas Peters Werk war, hatte Andreas Peter an der
zweiten großen Leistung dieser Jahre, dem Ausgleich Dänemarks mit Rußland, wie
solcher oben bei Johann Hartwig Ernst geschildert worden ist, zwar durchaus aktiv
mitgearbeitet, sie war aber doch in erster Linie Johann Hartwig Ernsts Werk. Immerhin
war die Unterzeichnung dieses für Dänemark entscheidend wichtigen Vertragswerkes
mit Rußland für König Christian VII., der im Jahre zuvor seinem Vater Friedrich V. auf
dem Thron gefolgt war, ein Anlaß zu so großer Dankbarkeit, daß er zugleich mit den
übrigen Mitgliedern seines Staatsrates am 14.12.1767 nicht nur Johann Hartwig Ernst
in den erblichen dänischen Lehnsgrafenstand erhob, sondern diese Standeserhöhung
auch auf dessen Bruder Andreas Gottlieb d.J. sowie auf Andreas Peter und seinen
Bruder Joachim Bechtold erstreckte. Und wenig später, 1769, wurde Andreas Peter
auch zum Geheimen Rat ernannt.
Diese ersten 12 Jahre des Wirkens von Andreas Peter für Dänemark fanden ein jähes
Ende, als Johann Hartwig Ernst und die führenden Männer der Regierung am 13.
September 1770 durch Struensee gestürzt wurden. Auch Andreas Peter wurde
entlassen und verließ mit dem Onkel, wie auch Klopstock, Dänemark.
Aber schon am 17. Januar 1772 wurde Struensee seinerseits gestürzt, und der
Nationaldäne Guldberg übernahm die Macht. Dieser war kein Freund der Deutschen,
die in Dänemark damals überwiegend die führenden Staatsstellungen besetzten. Aber
der Ruf des dänischen Volkes nach der Rückkehr der Bernstorffs war so stark, daß er
sich dem fügen mußte. Johann Hartwig Ernst war inzwischen zwar gestorben, aber
Andreas Peter wurde im Herbst 1772 zurückgerufen. Nach kurzer Tätigkeit in seinem
alten Ressort, dem Finanzkollegium, übernahm er im Frühjahr 1773 die Deutsche
Kanzlei und die damit verbundene Leitung der Auswärtigen Angelegenheiten. In dieser
Stellung war er auch Mitglied