Seite 199
Das Vertrauen seines Königs blieb aber unverändert, und schon im folgenden Jahr
erklärte Christian Günther sich bereit, den Posten des dänischen Gesandten am
Kaiserhof in Wien zu übernehmen. Wenn er allerdings geglaubt hatte, hier nach den
aufreibenden Jahren als dänischer Außenminister, die seine von Natur zarte
Gesundheit sehr angegriffen hatten, in ruhige und angenehme Verhältnisse zu
kommen, so sollte er sich irren. Denn Napoleons Feldzug nach Rußland und seine
vernichtende dortige Niederlage brachten neue Bewegung in die europäische Politik
und brachten Dänemark, das sich noch durch ein Bündnis mit Frankreich gebunden
fühlte, in große Schwierigkeiten. Dadurch, daß Dänemark sich, unverändert seiner
Friedenspolitik folgend, dem allgemeinen Bündnis gegen Napoleon nicht anschloß,
hörten die diplomatischen Beziehungen zum Wiener Hof und damit Christian Günthers
Amtsgeschäfte auf. Er wollte Wien verlassen, aber Kaiser Franz bat ihn, in Wien zu
bleiben, wo ihn niemand stören würde. So blieb er und konnte, als Dänemark sich
1814 der Sache der Verbündeten förmlich anschloß, seinen Dienst wieder aufnehmen.
Er folgte dem Kaiser in das Große Hauptquartier und nach Napoleons Sturz nach
Paris, wo er an den Friedensverhandlungen teilnahm und die Interessen Dänemarks
vertrat.
Anschließend beauftragte ihn der dänische König, zusammen mit seinem Bruder
Joachim Dänemark auf dem Wiener Kongreß zu vertreten. Er war hier bei den sämt-
lichen verbündeten Monarchen beglaubigt, war mit seiner Stellung in Wien sehr
zufrieden und erfreute sich in den diplomatischen und gesellschaftlichen Verhältnissen
jeder Auszeichnung und Annehmlichkeit. Es gelang ihm auch, die dänischen Inter-
essen mit Erfolg zu wahren.
Auf die Dauer sehnte er sich aber nach einer Aufgabe, die ihn in größere Nähe zu
seiner Heimat führte. Er war schließlich als Erbe seines Vaters Eigentümer von
Dreilützow, wo er sich aber nur wenig aufhalten konnte. Von 1803 bis 1818 wohnte
sein Bruder Fritz mit seiner Familie dort, bis dieser nach dem ihm gehörenden
Stintenburg übersiedeln konnte. Um die Wirtschaft hatte sich in den ersten Jahren der
Onkel Joachim Bechtold auf Gartow und Wedendorf gekümmert. Da Christian Günther
keine Söhne hatte, aber wünschte, daß Dreilützow in der Familie bliebe, vermachte er
es seinen Brüdern Friedrich und Joachim, die darum losen sollten. Das Los fiel auf
Friedrich.
Als Christian Günther sich nun von Wien fortwünschte, bot sich ihm die Gelegenheit,
den Gesandtenposten in Berlin zu übernehmen. An sich hatte sein Bruder Joachim
nach Berlin gehen sollen. Aber dieser bat die Regierung, Christian Günther die Wahl
zwischen Berlin und Wien zu lassen, und als dieser Berlin wählte, blieb Joachim in
Wien. Christian Günther ging gern nach Berlin, das er aus seiner nun über 20 Jahre
zurückliegenden ersten Gesandtenzeit kannte und liebte. Anfang 1817 kam er,
nunmehr 47 Jahre alt, mit seiner Familie in Berlin an und fand hier die größte
Zuneigung und Hochachtung von allen Seiten. Man war in Berlin sowohl von seiner
großen Liebenswürdigkeit, wie von seinen Gesinnungen, Einsichten und Erfahrungen
außerordentlich angetan.
Es traf sich nun, daß man damals gerade einen Nachfolger für den aus dem Amt des
Außenministers ausgeschiedenen Grafen v.