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Protokolle" von 1830 ihre Unabhängigkeit. In Spanien brach eine Revolution aus, die
aber 1823 mit französischer Hilfe niedergeschlagen wurde. 1825 wurde der
Dekabristenaufstand, der eine Verfassung erreichen wollte, niedergeworfen. 1830 kam
es zur Juli-Revolution in Frankreich, die zur Abdankung König Karls X. und zur
Thronbesteigung des "Bürgerkönigs" Louis Philippe führte. Belgien erhob sich gegen
die Niederlande und wurde zu einem eigenen Königreich unter Leopold von
Coburg-Gotha gemacht. In Deutschland kam es in zahlreichen Orten zu Unruhen, so in
Braunschweig und Göttingen und in Kurhessen. In den reformierten Schweizer
Kantonen wurden demokratische Verfassungen eingeführt, desgleichen 1831 in
Sachsen. Polen erhob sich vergeblich gegen Rußland. 1832 fand das "Hambacher
Fest" der süddeutschen Demokraten statt, das zur Aufhebung der Presse- und
Versammlungsfreiheit führte.
Dies waren einige der herausragenden Ereignisse aus der Zeit, in der Christian
Günther die preußische Außenpolitik leitete. Sie zeigen, daß schon damals die
geschichtliche Entwicklung nicht so gemächlich von statten ging, wie wir das
rückschauend anzunehmen geneigt sind, sondern daß es überall gärte und mit großer
Schnelligkeit umwälzende Entwicklungen stattfanden. Christian Günther war durch und
durch konservativer Monarchist, für den es in erster Linie darauf ankam, seinem
königlichen Herrn zu dienen. Die demokratischen und revolutionären Bestrebungen,
die aller Orten sich regten, lehnte er ab und vertrat ihnen gegenüber eine feste
Haltung. Er äußerte dem König gegenüber zwar freimütig seine Ansicht, aber solange
er nicht gegen sein Gewissen zu handeln brauchte, ließ er seine eigene Auffassung
hinter der Pflichttreue seines Dienstes zurücktreten.
Das gesellige Leben in Berlin war damals wie heute rege. Wir lesen in den
Erinnerungen von Elise, wie eng die königliche Familie und die Hofgesellschaft mit
einander verkehrten. Christian Günther, noch als dänischer Gesandter, und Elise
wohnten zunächst in der Wohnung von Ernst und Amerika ‚Unter den Linden‘, die
diese ihnen für den Sommer 1817 überlassen hatten, in einem Hause, das später für
den Durchbruch der Neuen Wilhelmstraße abgerissen wurde. Einer der ersten, der sie
aufsuchte, war der alte Feldmarschall Blücher (1742-1819), der sie als Verwandter
begrüßte, weil die drei von ihnen aufgezogenen Töchter Joachims ja Enkelinnen von
Blüchers Bruder waren. Im Herbst 1817 bezogen Christian Günther und Elise die
Bel-Etage im Hause Behrenstraße 69.
Mit der Übernahme seines Amtes als preußischer Außenminister erhielt Christian
Günther den Auftrag, sich nach einer geeigneten Dienstwohnung umzusehen. Es fand
sich das Haus Wilhelmstraße 76 mit schönem Garten, das der König von dem
ehemaligen russischen Gesandten Grafen v. Alopeus kaufen konnte und das nunmehr
Sitz des preußischen, später kaiserlich deutschen Außenministeriums wurde. Christian
Günther war also sein erster Hausherr. Nach 1918 wurde es das Reichspräsidentenpalais.
Zu Christian Günthers und Elises Freundeskreis in Berlin gehörte vor allem der
Feldmarschall Gneisenau (1760-1831). Von den von ihm, dem Witwer, auf der
Pfaueninsel und in Potsdam veranstalteten ländlichen Festen gibt Elise
schwärmerische Schilderungen. Auch auf seinem ihm vom König geschenkten Gut