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Il. Kapitel
Der Aufstieg des Geschlechts im 17. Jahrhundert.
A. Der Ratzeburger Domherr Andreas und seine Kinder, insbesondere Andreas
Gottlieb d.Ä.
9. Andreas. 1604-1655.
Andreas ist mit seinen Geschwistern jedenfalls in Bernstorf aufgewachsen. 1604
geboren, wurde er schon 1608, also mit 4 Jahren, als "Canonicus zu Ratzeburg
immatriculiret". Dies hat man sich wohl ähnlich vorzustellen, wie die Einschreibung der
Töchter des mecklenburgischen Adels in die Klöster Dobbertin, Malchow und Ribnitz.
Die Domherrenstellen waren also in der damaligen nachreformatorischen Zeit offenbar
Pfründen, in die man eingekauft werden konnte.
Während des 30-jährigen Krieges kam Andreas, wie sein Sohn Andreas Gottlieb d.Ä.
schreibt, in die Fremde. In einer Aufzeichnung aus der Zeit Andreas Gottliebs d.J. heißt
es, daß er seine Studien abgelegt und Reisen gemacht habe, wodurch er "große
Geschicklichkeit erlangt habe. Später kam er an den Hof des Herzogs August von
Braunschweig zu Wolfenbüttel als Rat und wurde Hofmeister des Erbprinzen Rudolf
August. Er ist dort aber nicht lange geblieben. In der letztgenannten Schrift heißt es,
daß er "das Privatleben wählete und sich den studiis gänzlich widmete". Es ist schwer
vorstellbar, was darunter zu verstehen ist. Denn es waren die letzten Jahre des
30-jährigen Krieges, die gerade über Norddeutschland und besonders über
Mecklenburg viel Not und Elend brachten, wie noch bei dem jüngsten Bruder von
Andreas, nämlich Joachim d.J., der Bernstorf übernahm, auszuführen sein wird.
Andreas hatte zwar bei dem oben (S. 21) erwähnten Erbauseinandersetzungsvertrag
von 1630 4.000 Gulden bekommen, die aber noch nicht ausgezahlt waren, sondern
nur verzinst wurden, und es ist doch wohl fraglich, ob sich davon jahrelang leben ließ.
Vielleicht bekam Andreas schon gewisse Hebungen aus Ratzeburg, und jedenfalls
zeigt die obige Darstellung, daß er ein gebildeter und vielleicht sogar gelehrter Mann
war. Im Jahre 1642 erscheint er übrigens als Hofmeister der Herzogin Katharina von
Sachsen-Lauenburg und ist Pate bei einer Tochter des Ratzeburger Domherrn v.
Meding.
1643 hat er dann seine Domherrenstelle in Ratzeburg angetreten. Und damit
begannen für ihn inhalts- und arbeitsreiche Jahre. Denn in den folgenden Jahren bis
1649 hielt er sich großenteils in Osnabrück auf, um als Bevollmächtigter auf dem
dortigen Friedenskongreß Stift und Domkapitel von Ratzeburg zu vertreten und für
dessen Interessen zu kämpfen. Als es ihm nicht gelang, den Fortbestand des Stifts zu
erreichen, hatte er in den folgenden Jahren bis zu seinem Tode mit der Regulierung
der Stiftsangelegenheiten zwischen dem mecklenburgischen Fürstenhaus, dem das
säkularisierte Bistum Ratzeburg übertragen wurde, und dem Domstift zu tun.
Ein Jahr nach Antritt seiner Domherrenstelle heiratete er am 11.2.1644 in Hundorf
Anna Dorothea v. Bülow, die Tochter Detlofs v. Bülow auf Hundorf, des letzten
Domdechanten von Ratzeburg. Ihre Mutter war eine Schack aus Müssen.