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haben." 1818 ist es schon so weit, daß Gräfin Schlitz nach Abreise aus Berlin schreibt:
"Sie haben sehr wenig Freunde - das heißt sie, denn er hat gar keine, außer seinem
Vetter (Christian Günther). "Sie haben sich dermaßen mit einem großen Teil der Stadt
(Berlin) überworfen, daß viele Leute sich bei mir entschuldigt haben, sie könnten mir
keinen Besuch machen aus Furcht, ihnen zu begegnen. Die äußerst reizbare
Eigenliebe des Mannes, die ihn in Kriegsfuß mit aller Welt bringt, gibt ihm so gehässige
Gefühle ein, daß seine Gesellschaft dadurch sehr peinlich wird". "Der Vetter (Christian
Günther) sieht und erträgt diese Verkehrtheiten mit der Nachsichtigkeit der
Überlegenheit und setzt allen Schmähungen, die man ständig gegen alle Welt außer
gegen ihn und mich ausstoßen hört, stets nur ein Lächeln entgegen". "Es ist eine
Todesqual, die mein armer Freund Bernstorff mich leiden läßt, wenn ich
ununterbrochen höre, wie er über andere Schlechtes sagt, die schwärzeste Galle über
alles ausgießt, was, angefangen von der Regierung bis hin in das Leben der Familie
hinein, getan und gesagt wird."
Von liebenswürdigerer Seite zeigt sich Ernst nur, wenn er bei anderen, insbesondere
bei der Gräfin Schlitz, zu Besuch ist. So berichtet die Gräfin Schlitz von einem Besuch
Ernsts in Burg Schlitz im Dezember 1818: „Bernstorff war über alles Erwarten immer
sanft und friedfertig und verträglich ... Ich fange an zu glauben, daß es der Aufenthalt
in seinem eigenen Hause ist, der ihm die Laune bis zu dem Punkt verdirbt, wie ich es
letzten Winter erlebt habe." Und wenige Tage später: “Ich werde in BerIin Bernstorff oft
bei mir sehen, und ich beginne zu glauben, daß es die beste Art ist, ihn zu sehen. Zu
viele Dinge in seinem Hause nehmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch und reizen
seine Galle.“
Dabei führten Ernst und Amerika in Berlin ein großes Haus. Gräfin Schlitz schreibt
1819: "Er gibt einer sehr ausgewählten und interessanten Gesellschaft vielbesuchte
und ausgezeichnete Diners. Jeder andere, der so viel für die Gesellschaft täte, würde
dafür hoch verehrt werden. Unser armer Freund dagegen ist kaum geliebt. Die
Reizbarkeit seiner Eigenliebe und die ständigen Streitereien zwischen Mann und Frau
machen den Verkehr in diesem Hause peinlich."
Besonders feindselig und unbotmäßig trat Ernst, der als Herr auf Gartow und
Wedendorf offenbar ein allzu großes Selbstbewußtsein hatte, den Regierungen in
Hannover und Schwerin gegenüber auf. Der Regierung in Hannover warf er 1818 vor,
daß sich auf der ganzen Welt mit ihr nur die Regierung von Algier vergleichen lasse (in
einem französisch-deutschen Wörterbuch von 1761 heißt es: "Algér, die Stadt in
Africa, die vorn See-Raube lebt"). Und der mecklenburgischen Regierung gegenüber
verweigerte er die Titulaturen, die sie als großherzogliche (seit 1815) beanspruchte!
Als Hannover zu dem von Napoleons Bruder Jérome regierten Königreich Westphalen
gehörte, sollte Ernst offenbar die Hofhaltung Jéromes in Hannover einrichten (faire sa
cour a Hanovre“). Er tat es nicht; ob die Gründe, die ihn hinderten, zum vorgesehenen
Termin nach Hannover zu fahren, echt waren, oder, wie Jérome vermutete, nur
vorgeschobene, mag dahin stehen. Jedenfalls wurde Ernst trotzdem Kammerherr und
Amerika Palastdame.