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Amerika trieben in Doberan großen Aufwand. Das mißfiel nicht zuletzt dem Herzog (ab
1815 Großherzog) Friedrich Franz I., der Amerika nur die "Gräfin Theepott“ nannte,
weil sie zu den Thees, die sie bei sich gab, in ihrem Salon alles versammelte, was es
an guter Gesellschaft gab. Er nannte das "zu Hofe gehen" und verwahrte sich
dagegen, weil - es fällt schwer zu glauben, aber die Gräfin Schlitz schreibt es so - er
kein genügend großer Herr war, um dort zugelassen zu sein! (“et proteste n’être pas
assez grand seigneur pour y être admis").
Mit der mecklenburgischen Ritterschaft stand Ernst sich offenbar auch nicht gut. Wie
es seinem Charakter entsprach und wie sein Verhältnis zu den Gartower Bauern zeigt,
war er wenig aufgeschlossen für Neuerungen und stemmte sich noch 1818 gegen die
Aufhebung der Leibeigenschaft auf seinen mecklenburgischen Gütern, obwohl sein
Onkel Andreas Peter diese schon ein Vierteljahrhundert früher als nicht mehr
vertretbar abgeschafft hatte. Zu Ernst Ehre muß man aber sagen, daß er, als er im
Dezember des gleichen Jahres 1818 vom Landtag beauftragt wurde, ein Gutachten
über die Aufhebung der Leibeigenschaft zu erstatten, dieses Gutachten, nachdem er
zunächst seine persönliche ablehnende Ansicht vorgetragen hatte, Punkt für Punkt im
Gegensatz zu dieser persönlichen Ansicht Bericht erstattete, dann allerdings am
gleichen Tage, "etwas beschämt", wie es heißt, abreiste.
Ganz anders als Ernst, der sich durch seinen schwierigen Charakter wohl selber etwas
im Wege stand, war Amerika. Der erste Eindruck, den der Vetter Friedrich-Dreilützow 2
Monate nach der Hochzeit notierte, als er Amerika kennenlernte, "die uns sehr gefiel",
und wenige Jahre später: "America hat mir dieß mal ausserordentlich wohl gefallen",
wird vollauf bestätigt durch die Würdigung, die sie in den Briefen der Gräfin Schlitz
findet.
Immer wieder betont diese die außerordentliche Herzlichkeit und
Liebenswürdigkeit Amerikas, die es fertig bringt, entgegen der Griesgrämigkeit Ernsts
durch ihre Schlichtheit und rührende Gutmütigkeit eine Atmosphäre des
Wohlbehagens um sich her zu schaffen. Die Gräfin Schlitz schreibt: "der
ausgezeichnete Charakter dieser Frau könnte nicht mehr Wahrhaftigkeit, Freirnütigkeit
und Gutmütigkeit enthalten."
Ihr Interesse galt vorwiegend ihrem häuslichen Bereich und fast ausschließlich den
Kindern, um die sich bei ihr alles drehte. Ernst selber erkannte ihre hausfrauliche
Tüchtigkeit an. Aber "obgleich es scheinen sollte, daß diese Art von Verdienst speziell
in diesem Lande zur Anerkennung führen müßte, ist sie trotzdem nicht beliebt, und ich
gestehe, daß ich gegenüber diesem Beispiel resignieren muß. Man verzeiht Fremden
nicht, was auch immer sie tun" (Die Gräfin Schlitz war ja auch keine Mecklenburgerin).
Wenige Wochen später schreibt sie dann allerdings wieder: "Sie ist sehr beliebt, sehr
angesehen, und verdient durch ihre große Güte, es zu sein."
In der Sorge für die Kinder konnte Amerika sich nicht genug tun. Die Beschäftigung mit
ihnen ging so weit, daß Gräfin Schlitz von Kindernarrheit ("enfantillage”) spricht und
Amerikas Verhalten neben ihrer schlechten Gesundheit als ein wirkliches Unglück
bezeichnet (1806). Ernst hat seine Ansichten über Kindererziehung weitgehend
zurückstellen und die Erziehung Amerika überlassen müssen, ist aber, wie Gräfin
Schlitz bestätigt, durch den Erfolg