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46. G o t t l i e b . 1867-1956 .
Andreas Gottlieb wurde am 26. Jan. 1867 in Bernstorf geboren. Als er
herangewachsen war, nahm er, während sein Bruder Günther im Gartower Forsthaus
wohnte, seinen Wohnsitz auf dem Meierhof Quarnstedt, dem landwirtschaftlichen
Gutshof Gartows, den er später pachtete. Erst ziemlich spät, am 16.6.1908, heiratete
der 41-Jährige die um 20 Jahre jüngere Mathilde Freiin v. Dincklage, geboren in Kassel
am 16. Sept. 1887, Tochter des kaiserl. Reichsgerichtsrats Ferdinand Frhrn. v. Dinck-
lage und der Amalie Freiin v. der Borch a.d.H. Holzhausen.
Durch den kinderlosen Tod seines Bruders Günther erbte er 1937 Gartow und siedelte
in das Schloß über. Hier erlebte er die schweren Jahre des zweiten Weltkrieges und
seiner Folgen. Das Gartower Schloß war zeitweilig von der britischen
Besatzungsmacht besetzt, und der englische Kommandeur ließ sich von Gottlieb die
wertvollsten Ahnenbilder bezeichnen, um sie besonders sorgfältig zu schützen. Bei
seinem Abzug fehlte aber das von Sohn gemalte Bild des Urgroßvaters Ernst, das
Gottlieb ihm fälschlich als von Franz Krüger gemalt und daher besonders wertvoll
bezeichnet hatte; und das große Kniestück von Amerika war halb aus dem Rahmen
gelöst, dann aber dageblieben.
Die Gartower Forst erlitt in den ersten Jahren nach dem Kriege großen Schaden
dadurch, daß die britische Besatzungsmacht durch kanadische Holzfäller-kommandos
große Mengen Holz einschlagen ließ. Der für dieses Holz gezahlte Preis führte auf der
anderen Seite zu einer unnatürlichen geldlichen Liquidität. Das Gartower Schloß wurde
nach dem Abzug der Engländer zum großen Teil für ein Altersheim genutzt und
entsprechend verwohnt. Gottlieb und Mathilde mußten sich auf einen kleinen Teil des
Schlosses beschränken.
Gottlieb wurde sehr alt. Erst am 5. Dez. 1956 ist er im 90. Lebensjahr in Gartow
gestorben. Obwohl er längere Jahre der älteste Bernstorff war, hat er das Amt des
Seniors stets abgelehnt. Er hat sich aber um die Familie sehr verdient gemacht. Nicht
nur, daß er nach dem 2. Weltkrieg manchem Familienmitglied durch eine finanzielle
Hilfe wieder auf die Beine geholfen hat, hat er auch nach der Währungsreform von
1946, als die Familienstiftung völlig darniederlag, erhebliche Beträge zum Ankauf
neuer Wertpapiere gespendet, die durch große Kursgewinne wieder zu einem
beträchtlichen Vermögen der Stiftung geführt haben. Und in seinem Testament
bestimmte er, daß 25 Jahre lang aus seinem Nachlaß jährlich 2.500,- DM als
Ausbildungsbeihilfe an junge Bernstorffs gezahlt werden sollten.
Mathilde überlebte ihren Mann um viele Jahre. Sie starb in Gartow am 1. Nov. 1973,
nachdem sie seit Gottliebs Tod 17 Jahre lang in besonderer Weise der Mittelpunkt der
Bernstorffschen Familie gewesen war. Im Jahre vor ihrem Tode fand in Gartow noch,
zum ersten Mal nach Jahrzehnten, wieder ein Familientag statt, der annähernd 100
Familienmitglieder vereinigte. In ihrem Testament setzte Mathilde Gottliebs
Jugend-Stiftung in der Weise fort, daß sie ein Kapital von 50.000,- DM auf
Sonderdepot belegte, dessen Zinsen 25 Jahre lang wiederum zu Ausbildungs-
Stipendien verwendet werden sollen.