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befähigten, bei der Schaffung der Prozeßordnung des von ihm 1711 gegründeten
Oberappellationsgerichts Celle, des jetzigen Oberlandesgerichts, persönlich
entscheidend mitzuarbeiten.
Nach einem Jahr, im Frühjahr 1669, trat der 20-Jährige eine 1 1/2-jährige
Bildungsreise an, die ihn zunächst von Speyer über Straßburg und Nancy nach Paris
führte, wo sein 3 Jahre älterer Vetter Andreas aus Bernstorf zu ihm stieß. Beide
blieben einige Monate in Paris, wo der damals 31-jährige Ludwig XIV. regierte, dessen
glänzender Hof natürlich eine große Anziehungskraft auf die jungen Leute ausübte. Im
September reiste Andreas Gottlieb dann von Paris über Lyon, Turin, Genua, Mailand,
Parma, Modena, Bologna, Florenz nach Rom. Ende Januar 1670 ging er von Rom
über Loretto und Ferrara nach Venedig und im März von dort nach Wien, von wo er
über Prag, Dresden, Magdeburg und Braunschweig im August wieder in Ratzeburg
anlangte. Diese Reise muß seinen geistigen Horizont ganz erheblich geweitet und ihm
sehr viel reichere Eindrücke vermittelt haben, als das heute der Fall sein würde. Denn
Turin war die Hauptstadt der Herzöge von Savoyen, Genua noch wie Venedig eine
selbständige Republik und eine Handelsmacht von europäischer Bedeutung im
Mittelmeer. Mailand war die Hauptstadt der damals noch zu Spanien gehörenden
Lombardei, Parma ein selbständiges Herzogtum des Hauses Farnese, Bologna war
weltberühmt durch seine Juristenfakultät. In Florenz regierten die Großherzöge von
Toskana und in Modena und Ferrara die Herzöge von Este. Nirgends also hätte
Andreas Gottlieb eine größere Fülle politischer und kultureller Eindrücke und
Einsichten gewinnen können, als auf dieser Reise.
Nach seiner Rückkehr begann sein beruflicher Lebensweg. Denn wenige Monate
später, im Herbst 1670, brachte Herzog Christian I. von Mecklenburg-Schwerin
(1623-1692) seine zweite Gemahlin Isabelle Angélique de Montmorency- Bouteville,
verwitwete Herzogin von Chatillon (1627-1695), aus Frankreich nach Ratzeburg, wo sie
über den Winter in dem vom Herzog ein Jahrzehnt zuvor erbauten "fürstlichen Haus"
(dem Vorgänger des 100 Jahre später an seiner Stelle errichteten jetzigen
Herrenhauses am Domhof) blieb und wo offenbar Andreas Gottlieb in Verbindung zu
seinem Landesherrn und dessen Gemahlin trat. Als die Herzogin im Frühjahr 1671
nach Schwerin übersiedelte, während der Herzog sich in Frankreich aufhielt, begleitete
der 22-jährige Andreas Gottlieb die Herzogin und blieb bis zum nächsten Jahr in deren
Dienst in Schwerin. Herzog Christian I. hatte seine entscheidenden Eindrücke in Paris
bei Ludwig XIV. empfangen, der sein Idol wurde und dem er in allem nacheiferte. Er
versuchte, den Einfluß der Stände in Mecklenburg zurückzudrängen und nach dem
Muster Ludwigs XIV. zu regieren. Er ging in seiner Verehrung für Ludwig XIV. so weit,
daß er sogar seinem Namen den Namen Louis hinzufügte.
Der Herzog mag, als er den jungen mecklenburgischen Edelmann in seinen Dienst
nahm, angenommen haben, daß dieser an dem Kampf zwischen dem Herzog und den
Ständen nicht interessiert sein werde. Denn weder hatte ja sein Vater Grundbesitz
gehabt, noch hatte Andreas Gottlieb selber ihn. In dieser Annahme sollte sich der
Herzog allerdings irren. Schon in dem Schweriner Jahr stellte Andreas Gottlieb sich
entschieden auf die Seite der Ritterschaft, und in seinem späteren Leben, von Celle,
Hannover und London aus, sollte er die stärkste Kraft im Kampf der mecklenburgischen
Stände gegen ihre Herzöge werden. Die Haltung Andreas Gottliebs mußte dem Herzog
natürlich sehr mißfallen, und er wurde auch eindringlich vor ihm gewarnt. Der Hofmeister v.
Wördt schrieb an ihn: