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1945 nicht überstanden haben wird. Nach einer handschriftlichen Liste waren 49
Exemplare dieses Stammbaums „abonniert“ worden. Nach dem Tode seines Vaters
war Andreas auch Familiensenior geworden, was überrascht, weil Joachim-Gartow 3
Jahre älter war und noch lebte.
In besonderem Maße konnte sich in Wedendorf Andreas’ Gemahlin Klotilde entfalten,
die wegen ihrer großen Tat- und Willenskraft im Lande allgemein "die Regierende"
hieß.
Am 12. Sept. 1906 ist Andreas in Wedendorf, erst 69 Jahre alt, gestorben und in
Kirch-Grambow zu Füßen seines Vaters beerdigt worden. Seine Witwe zog nach
Schwerin, wo sie ein Haus in der Orleansstraße erwarb, in dem sie mit ihrer ältesten
Tochter Hermine lebte, bis zum Kriege mit Kutscher, Pferden und Wagen. Sie starb
erst nach dem 1. Weltkrieg am 22. März 1920 in Schwerin und wurde gleichfalls in
Kirch-Grambow beerdigt.
Aus der Ehe waren 6 Töchter, aber kein Sohn hervorgegangen, eine für den Besitzer
eines so großen Fideikommisses schmerzliche Tatsache, weil nunmehr Wedendorf an
den Neffen Hermann fiel. Die 6 Töchter waren:
a) Hermine („Minnie“) Friederike Auguste Henriette Klara Anna, geboren in
Alt-Steinhorst am 22. Okt. 1868. Am 30. desselben Monats wurde sie als Expectantin
des Klosters Dobbertin eingetragen, nachdem Andreas die für die Klosterberechtigung
zu zahlenden 93 Thaler 16 Schilling Courant erbracht hatte. Im Johannistermin 1885,
also mit 16 Jahren, gelangte sie zur Viertelhebung, die damals halbjährlich 52 Mark 50
Pfennig betrug. Minnie war eine Frau von scharfem Verstand, ein etwas männlicher
Typ, was auch äußerlich durch ihren kurzen Haarschnitt, den sogen. Tituskopf, zum
Ausdruck kam, war aber gleichzeitig auch stark musisch geprägt. Schon in ihren
jüngeren Jahren gründete und leitete sie in Kirch-Grambow einen Kirchenchor. In
Schwerin leitete sie dann den Schweriner Domchor und erteilte 25 Semester hindurch
im Predigerseminar zu Schwerin Unterricht im liturgischen Gesang. Nach der
Revolution von 1918 machte sie sich als konservative Politikerin einen Namen und
gehörte eine Reihe von Jahren dem an die Stelle des früheren ständischen Landtags
getretenen demokratischen Landtag an, wo wegen ihrer klaren und festen Haltung
manchmal scherzweise gesagt wurde, sie sei der einzige Mann im Landtag.
Am stärksten hat sie ihr Leben aber der Arbeit im Deutsch-Evangelischen Frauenbund
gewidmet. Nachdem sie ihm schon in Schwerin ihr Interesse gewidmet hatte, wurde
sie, als sie nach dem Tod ihrer Mutter nach Wernigerode übersiedelte, Vorsitzende
des Ortsverbandes Wernigerode und später Vorsitzende erst des mecklenburgischen,
dann des Landesverbandes Sachsen- Anhalt und als solche auch Mitglied des
Bundesvorstandes. Hier fanden ihre pädagogische Begabung und ihre zielbewußte
Tatkraft ein reiches Arbeitsfeld. Hier hat sie sich ganz eingesetzt. In dem Nachruf für
sie nach ihrem Tode heißt es in der Evangelischen Frauenzeitung: "Als Kind des
Mecklenburger Landes besaß Gräfin Bernstorff viel von der Willenskraft und der
Unerbittlichkeit, in dem als Recht Erkannten zu bleiben, was den Herrenmenschen
dieses Landstriches eignet. Dieser Grundzug ihres Wesens formte mit an