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„Der Bernstorff ist der Favorit bei Hofe, durch ihn wird alles regiert, mit welchem seine ganz
Freundschaft zuzeucht und im Lande hin und wieder aussagen: Gott sei Lob, daß
unser Vetter bei Hofe ist! Nun können wir unsere Sachen zu gutem Ende bringen,
welche wir lange Jahre haben müssen stecken lassen“. Es war daher nichts anderes
zu erwarten, als daß der Herzog Andreas Gottlieb schnellstens wieder entließ, was
schon im nächsten Jahr, 1672, geschah, obwohl die Herzogin sich sehr gegen diese
Entlassung wehrte. Ihr war Andreas Gottlieb ja auch schon allein als Dolmetscher
schwer entbehrlich.
Daß Andreas Gottlieb ein sehr enges Verhältnis zu ihr hatte, scheint wahr zu sein .
Inwieweit dieses Verhältnis des 23-Jährigen zu der immerhin 45-jährigen Herzogin
bestimmend für seine Entlassung war, mag dahinstehen. Andreas Gottlieb selber
verliert in seiner Selbstbiographie kein Wort über seine Beziehungen zur Herzogin und
die Gründe seines Ausscheidens aus ihrem Dienst. Liselotte von der Pfalz aber, die
allerdings an Andreas Gottlieb kein gutes Haar läßt und ohnehin eine sehr spitze
Zunge hatte, schreibt. "Er wurde sterbens geliebt von der Herzogin, und trotz seiner
Klugheit verleitete sie ihn zu solcherlei Extravagancen, daß er fort mußte."
Wie dem auch sei; als die Herzogin im Jahre 1672 nach Paris zu ihrem Gemahl reiste,
begleitete Andreas Gottlieb sie nur bis Utrecht. wo er sie der Obhut ihres Bruders, des
Herzogs von Luxemburg, und des Prinzen Condé übergab, die sich dort mit der
französischen Armee befanden, und begab sich nach Celle, wo Herzog Georg-Wilhelm
(1624-1705) ihn in seinen Dienst nehmen wollte. Dem Celler Herzog war er dadurch
bekannt geworden, daß die Schweriner Herzogin einer Einladung aus Celle auf Georg
Wilhelms Jagdschloß Winsen a.d.Luhe gefolgt war, wo sie mit dessen Gemahlin, der
Französin Eleonore d'Olbreuse, ihrer Landsmännin also, zusammentraf. Hier wird
Georg Wilhelm (Bild) auf den jungen Andreas Gottlieb, den Begleiter der Herzogin,
aufmerksam geworden sein.
b. Andreas Gottliebs Wirken als Staatsmann.
Andreas Gottlieb ging also 1672 nach Celle und wurde dort vom Herzog
Georg-Wilhelm, der seit 1665 als Nachfolger seines kinderlos verstorbenen Bruders
Christian Ludwig in Celle regierte, zunächst als Volontär, eingestellt. Im nächsten Jahr
starb seine Mutter, wodurch er sein Elternhaus in Ratzeburg verlor. Denn nach dem
Westfälischen Frieden von 1648 fielen die erledigten Domherrenkurien in Ratzeburg
dem Landesherren zu, und Herzog Christan Louis, in dessen Dienst Andreas Gottlieb
gerade gestanden hatte, wies daher als Landesherr über das ehemalige Bistum, jetzt
Fürstentum Ratzeburg das Haus der früheren Bernstorffschen Kurie, in dem Andreas
Gottliebs Mutter noch bis zu ihrem Tode hatte wohnen bleiben dürfen, nunmehr einem
mecklenburgischen Beamten als Dienstwohnung zu. Indessen sollte Andreas Gottlieb
in Celle, damals ein Residenzstädtchen von etwa 10.000 Einwohnern, eine neue
Heimat finden, wo er über 30 Jahre lang, bis zum Tode des Herzogs im Jahre 1705,
den Mittelpunkt seines Lebens fand.
Andreas Gottlieb ist von seinen Zeitgenossen als „pauvre et délaissé" bezeichnet
worden, also als arm und hilflos (oder verlassen). Die Armut kann nicht so ganz
gestimmt haben; denn immerhin hatte sein Vater 30.000 Rthlr hinterlassen, ein für