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die sämtlich der damaligen Gutsobrigkeit unterstanden. Hinzu kamen die - damals
noch ritterschaftlichen - Dorfschulen in Kirch-Grambow, Jeese und Rambeel und das
Patronat der Kirche zu Kirch-Grambow. Für die benachbarte Stadt Rehna, die
großenteils von ihren Wirtschaftsbeziehungen zu dieser Begüterung lebte, war das die
"Grafschaft". Für Hermann war es als Herrn dieser insgesamt 15 Güter und Dörfer
wichtiger, daß er Volljurist, als daß er Landwirt war. Bei der Bewirtschaftung mußte er
sich ohnehin auf die Beamten stützen. Diese übernahm er zum großen Teil von
seinem Großvater und dem Wedendorfer Onkel. Die Tradition war hier so stark
verwurzelt, daß beispielsweise die Inspektorenstellen der Güter sich in drei Fällen vom
Vater auf den Sohn vererbt hatten. Die Folge war, daß auch die Wirtschaft zu lange in
den alten extensiven Gleisen weiterlief. Hermann selber hatte, abgesehen von einem
kurzen Besuch der landwirt-schaftlichen Hochschule in Berlin, keine landwirtschaftliche
Ausbildung.
Die ersten Wedendorfer Jahre waren wohl die schönsten in Hermanns Leben. Bis
1912 wurden nacheinander die Kinder geboren. Und in diesen Wedendorfer
Vorkriegsjahren wurde auch große Geselligkeit gepflegt. Termine hierfür waren vor
allem die Jagden, die in der Regel jeweils zwei Tage in Anspruch nahmen, namentlich
die Wald- und Buschjagden im Herbst. Die Jagdberichte des Försters Lindemann aus
den Jahren 1908 bis 1914 liegen noch vor. Die zu diesen Jagden eingeladenen Gäste
mußten untergebracht wurden. Die von Hermann entworfenen Quartierlisten verteilen
die Gäste auf etwa 15 Gästezimmer. Er notiert auch, zu welchen Zügen und mit
welchen Wagen und Kutschern - von Rehna oder Grevesmühlen - die Gäste abgeholt
werden mußten. Auch Tischordnung und Menü sind teilweise noch vorhanden.
Besonders groß war die mit einem Tanzfest verbundene Jagd am 7./8. Jan. 1909 mit
über 30 Personen. Das große Ereignis dieser Jahre war aber der Familientag vom 16.
Juni 1910. An ihm nahmen etwa 45 Personen teil, die alle in Wedendorf untergebracht
wurden. Senior familiae war damals Berthold- Wehningen. Das Diner umfaßte 9
Gänge.
Die extensive Wirtschaftsweise der Wedendorfer Begüterung erwies sich mit der Zeit
als nicht mehr haltbar, weil sie keine ausreichenden Erträge brachte und Hermann
auch die Wirtschaftsführung der zahlreichen Betriebe nicht genügend übersehen
konnte. Deshalb wurden im Jahre 1914 sechs der Güter verpachtet: Blieschendorf,
Hanshagen, Kasendorf, Rambeel, Gr.Hundorf und KI.Hundorf. Drei der 6 Pächter
waren bisherige Inspektoren. In eigener Bewirtschaftung behielt Hermann nur
Wedendorf und Bernstorf mit Wilkenhagen.
Wenige Monate nach dieser grundlegenden Änderung der Wirtschaftsweise brach der
1. Weltkrieg aus. Hermann, damals 46 Jahre alt und Oberleutnant der R. der 2. Garde
Dragoner in Berlin, rückte nach kurzer Ausbildung in Jüterbog, zum Rittmeister
befördert, ins Feld und übernahm eine Munitionskolonne in Frankreich, wo er zeitweise
in dem prächtigen, später zerstörten Schloß Havrincourt bei Cambrai einquartiert war.
Die Leitung der Wedendorfer Verwaltung übernahm ein älterer bayrischer Landwirt,
Graf Spreti, der aber keinen Erfolg hatte. Hermann wurde daher 1917 aus dem
Kriegsdienst entlassen, weil es aus volkswirt-schaftlicben Gründen wichtiger war, daß
der Wedendorfer landwirtschaftliche Betrieb in Ordnung gehalten wurde, damit die
erforderlichen Ablieferungen geleistet werden konnten.