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Infolge des verlorenen Krieges und der durch die Revolution von 1918 veränderten
politischen Verhältnisse wurden die Zeiten für die Landwirtschaft nach und nach immer
schwieriger. Während der Inflationszeit war dies noch durch die Fülle des immer
wertloser werdenden Geldes überdeckt; nach der Währungsreform von 1923 war aber
einerseits das frühere Kapitalvermögen, dessen Zinsen die mangelnden Erträge der
Landwirtschaft ergänzt hatten, verloren, während andererseits nun die Mittel fehlten,
um die notwendigen Investitionen für eine Intensivierung der Landwirtschaft
aufzubringen. So mußten teure Kredite aufgenommen werden, die aber doch nicht zur
Ertragssteigerung in dem nötigen Ausmaß führten. Die fideikommissarische Bindung
von Wedendorf und Bernstorf wurde auf Grund der damaligen
Fideikommißauflösungs-Gesetzgebung aufgehoben und dadurch eine unbeschränkte
Belastung der Begüterung ermöglicht.
Zunächst wirkte sich die wirtschaftliche Entwicklung auf das Leben der Familie noch
nicht so spürbar aus. Einige Familienfeste wurden mit Hilfe der heranwachsenden
Kinder noch groß gefeiert, vor allem die Silberne Hochzeit im Jahre 1924 mit
abendfüllenden Aufführungen, und ein Jahr später die Hochzeit der Kusine Bettina aus
Bernstorf mit Joachim v. Flotow-Kogel, schließlich natürlich der 60. Geburtstag
Hermanns im Jahre 1927. Aber dann begann doch spürbar die Notwendigkeit
äußerster Sparsamkeit. Das Personal wurde vermindert, die Zahl der bewohnten
Räume möglichst eingeschränkt. Aber die Kosten des Haushalts spielten gegenüber
den Gesamtsummen an Einnahmen und Ausgaben der Begüterung keine
entscheidende Rolle. Die Wirtschaftsunkosten wuchsen, die Preise wurden immer
schlechter. So wuchs die Verschuldung, bis nicht einmal die Zinsen der
aufgenommenen Kredite mehr aufgebracht werden konnten. Versuche, mit
Wirtschaftsberatern die Lage zu retten, schlugen fehl, und im Jahre 1931 wurde das
Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses über Hermanns gesamtes
Vermögen und die Zwangsverwaltung der Begüterung angeordnet. Vor dem völligen
Zusammenbruch rettete schließlich in letzter Stunde die Osthilfe-Gesetzgebung, die
damals infolge der bedrohlichen Notlage der gesamten ostelbischen Landwirtschaft
nötig geworden war. So konnte wenigstens ein Teil der Begüterung gerettet werden.
Wedendorf allerdings und die meisten anderen Güter mußten aufgegeben werden und
wurden aufgesiedelt. Aber wenigstens das Stammgut Bernstorf mit Wilkenhagen
konnte gerettet werden, und außerdem auch noch das kleine KI.Hundorf, das wegen
längerfristigen Pachtvertrages nicht aufgesiedelt werden konnte.
Es war für Hermann eine der schwersten Stunden seines Lebens, als er erfuhr, daß
die Landgesellschaft, die die Aufsiedelung der Begüterung übernommen hatte, das so
traditionsreiche Wedendorfer Schloß mit einem Restgut ausgerechnet an den Inhaber
der Fa. Thams & Garfs, Konsul Hagen in Lübeck, verkauft hatte.
Hermann siedelte nun, nachdem man nach Eröffnung der Zwangsverwaltung zunächst
aus dem Schloß für 1 1/2 Jahre in das kleine Inspektorenhaus auf dem Hof gezogen
war, im Sommer 1933 nach Bernstorf über. Genau 25 Jahre, nachdem Hermann mit
seiner Familie auf dem Wege von Bernstorf nach Wedendorf an der Grenze von einer
festlichen Reitereskorte eingeholt worden war, ging er nun in umgekehrter Richtung
allein und zu Fuß, nur von seinem treuen Teckel Beißer begleitet, denselben Weg
zurück.