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Seine zahlreichen Ehrenämter, für die er sich voll einsetzte, lagen einerseits auf
politischem Gebiet in der konservativen Partei einschließlich der Arbeit im ständischen
mecklenburgischen Landtag, andererseits auf karitativem Gebiet in der
mecklenburgischen Inneren Mission sowohl wie in der Berliner Stadtmission, worin er
einer alten Familientradition folgte. Hilfsbereit, wo er meinte, helfen zu können, war er
in vorbildlicher Weise großzügig und freigebig; Geld spielte, solange es noch
vorhanden war, keine Rolle. Im Johanniterorden war er seit 1908 Ehrenritter, seit 1920
Rechtsritter und richtete auf seine Kosten in Rehna ein Johanniterdepot ein, dessen
Gerätschaften den Ärzten und Kranken zur Verfügung standen, das allerdings den 1.
Weltkrieg nicht überdauert hat.
Hermann hat, wie erwähnt, von der praktischen Landwirtschaft wenig verstanden. Er
wandte aber sein besonderes Interesse der Modernisierung der bäuerlichen
Verhältnisse zu, für die er sich als Obereigentümer von rund 40 Bauern verantwortlich
fühlte. Die Bauern befanden sich noch im Zustand der Erbleihe, bei welcher an Stelle
der früheren Hand- und Spanndienste ein in Scheffeln Roggen umgerechneter
Naturalzins zu entrichten war. Einige der Bauern erreichten infolge zu kleiner Flächen
oder zu geringer Bodenqualität nicht die Größe einer sogen. "Ackernahrung", was etwa
einer Größe von 20 ha entsprach. Hermann vergrößerte diese Bauernstellen durch
Landzulagen aus den Außenschlägen der Güter. Gleichzeitig wurden für Bauernstellen
die alten Erbleihordnungen durch Erbpacht-verträge abgelöst und der bisherige
Naturalzins kapitalisiert und als Grundschuld mit 4% verzinslich und für den Gläubiger
unkündbar in das für die Erbpachtstellen neu errichtete Grundbuch eingetragen. Auf
diese Weise wurden sämtliche Bauern Hofbesitzer mit freier Verfügbarkeit über ihre
Hofstellen. Hermann hat mit dieser Reform, an die er uneigennützig viel Arbeit und
Sorgfalt verwendet hat, in der Wedendorf-Bernstorfer Begüterung ein modernes und
leistungsfähiges Bauerntum geschaffen.
In zunehmendem Maße wandte sich Hermann mit den Jahren auch der Geschichte
unserer Familie zu, und die vorliegende Ausarbeitung wäre in dieser Form nicht
möglich gewesen, wenn nicht umfangreiche Materialsammlungen und auch eigene
Aufzeichnungen von ihm zur Verfügung gestanden hätten. Von 1937 bis zu seinem
Tode war Hermann auch gewählter senior familiae.
Else, Hermanns Frau, führte in Wedendorf ein sanftes, aber bestimmtes Regiment, bei
dem sie ihren ganzen verhaltenen Charme entfaltete, der für alle, die ihr in diesen
Jahren begegneten, unvergeßlich blieb. Sie liebte Wedendorf und hat seinen Verlust
erst überwunden, als sie - von aller Verantwortung befreit ihre letzten Lebensjahre als
Flüchtling in dem uralten und winzigen Predigerwitwenhaus in Kirch-Grambow mit allen
Erinnerungen an diese schönste Zeit ihres Lebens verbrachte. Der Wedendorfer Stil
des späten Empire war ihr Lebenselement. In Bernstorf hat sie sich nie wohl gefühlt.
Im Grunde ihres Wesens war sie sehr viel kühler und besonnener als Hermann und
bot damit zu seinem sanguinischen Temperament ein notwendiges Gegengewicht. Im
Religiösen auf dem gleichen Grund wie Hermann stehend, konnte sie in Augenblicken
der Gefahr, wie sie 1945 eintraten, eine erstaunliche Ruhe und Geistesgegenwart
aufbringen. In der Beurteilung von Menschen traf sie, anders als Hermann, fast immer