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damalige Zeit recht beachtliches Vermögen, von dem allerdings in den 17 Jahren seit
dem Tode des Vaters für die Mutter und die vier überlebenden Kinder ein erheblicher
Teil verbraucht gewesen sein mag. "Délaissé" aber war Andreas Gottlieb, wenn er es
je gewesen sein sollte, jedenfalls in Celle sehr schnell nicht mehr.
Das Haus Braunschweig-Lüneburg war damals dreigeteilt, in der jüngeren Linie
regierte ein Bruder den Landesteil Calenberg Grubenhagen (in Hannover), der andere
das Fürstentum Lüneburg (in Celle). Die ältere Linie regierte in Braunschweig
Wolfenbüttel.
Während seiner 33 Celler Jahre wurde Andreas Gottlieb zu einem geschickten und
bedeutenden Leiter der Politik seines Herzogs. Es war die Zeit der Kriege Ludwigs XIV.
mit Holland und in der Pfalz (Zerstörung von Worms, der Kaisergräber in Speyer und
des Heidelberger Schlosses 1689). Der Kaiser stand im Existenzkampf gegen die
Türken, Dänemark kämpfte um die Macht im Ostseeraum mit Schweden und den
Gottorpern. In England wurden die Stuarts gestürzt, und Wilhelm von Oranien eroberte
den englischen Thron. Dies alles schuf wechselnde und schwierige politsche
Situationen. Der Celler Herzog stand in ihnen auf der Seite des Kaisers, Wilhelms von
Oranien und des Großen Kurfürsten von Brandenburg gegen Frankreich und
Schweden. Andreas Gottlieb betrachtete Frankreich mit größtem Mißbehagen; denn es
konnte, wie er im Jahre 1683 in einem Brief schrieb, "annitzo im Reich tun ohne alle
Hinderung, was es will". Er beklagte die Schwäche des Reiches und hat immer an der
Überzeugung festgehalten, daß allein Geschlossenheit und Macht des Reiches auch
den Teilen dieses Reiches Aufstieg zu Macht und Ansehen gewährleisten könnten.
Schon 1674 wurde der erst 25-jährige Andreas Gottlieb zu selbständigen
diplomatischen Aufträgen verwendet und bei den damaligen kriegerischen Verwick-
lungen mit Frankreich, an denen der Herzog sich mit seinen Truppen beteiligte, an den
kurhessischen Hof nach Kassel und den kurpfälzischen Hof nach Heidelberg
geschickt. Er begleitete auch seinen Herzog zu den in Süddeutschland stehenden
Truppen, im Jahre 1675 schon als Kriegsrat und General-Kommissar, der dabei aber
auch alle übrigen Angelegenheiten des Herzogs mit versehen mußte.
Nachdem er im Herbst mit seinem Herzog nach Celle zurückgekehrt war, heiratete
Andreas Gottlieb hier im November 1675 Johannette Lucie (Bild 2)(Bild 3) , die Tochter
des Celler Kanzlers v. Sinold gen. v. Schütz, welcher, wie Andreas Gottlieb schreibt,
"einer der größten und geschicktesten Ministrorum war, die ich in der Welt gekannt,
von welchem ich viel gelernt .... habe". Johann Helwig v. Sinold gen. v. Schütz
(1623-1677) (Bild) , Dr. iur. und anfänglich Professor der Rechte in Gießen, war erst
1670 in die Dienste des Herzogs Georg Wilhelm getreten und hatte vorher in
langjährigern kaiserlichen Dienst als Reichshofrat in Wien die Überzeugung gewonnen,
daß die Herzöge des Hauses Braunschweig-Lüneburg, um ihre Ziele zu erreichen,
entscheidend auf das Wohlwollen, wenn nicht die Freundschaft des kaiserlichen Hofes
angewiesen seien. Auch hatte er aus Wien ein starkes Mißtrauen gegenüber der
bedrohlich anwachsenden Macht des brandenburgischen Nachbarn mitgebracht. Diese
Sicht machte er zur Grundlage seiner Überlegungen und Ratschläge, und Andreas
Gottlieb übernahm sie von ihm.