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Ein Kapitel von besonderer Bedeutung in Andreas Gottliebs politischem Wirken ist sein
Handeln im Kampf zwischen den mecklenburgischen Herzögen und ihren Ständen. Es
handelt sich hierbei um die Auseinandersetzungen, die in jedem Feudalstaat in einem
bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung einsetzen und die in aller Regel in der
europäischen Geschichte zu einer Entmachtung der Stände und zum fürstlichen
Absolutismus geführt haben, um von dort über ein konstitutionelles System zum
Parlamentarismus unserer Tage, sei es mit, sei es ohne monarchische Spitze, zu
führen. Wenn in Mecklenburg diese Entwicklung anders verlaufen ist und hier die
Stände bis in unser Jahrhundert. nämlich bis zur Revolution von 1918. ihre
Machtstellung gehalten, ja noch weiter ausgebaut haben, so daß der Landesherr
gegen sie nicht regieren konnte, so ist diese Entwicklung, wenn wir den Verlauf der
damaligen Auseinandersetzungen verfolgen, nicht zuletzt auf Andreas Gottliebs
überlegenes politisches Geschick zurückzuführen.
Als Andreas Gottlieb die politische Bühne betrat, rang Herzog Christian Louis von
Schwerin darum, ein stehendes Heer zu errichten, eine der wesentlichsten Grundlagen
zum Aufbau eines absoluten Staates, den er nach dem Vorbild seines Idols Ludwigs
XIV. von Frankreich schaffen wollte. Die dafür notwendigen Mittel aber konnte er nur
mit Zustimmung des ständischen Landtages aus dem Lande ziehen. Da die Stände
ihm ihre Zustimmung verweigerten, deren er auch sonst zu allen Vorhaben, die das
Geld des Landes kosteten, bedurfte, war es das vornehmste Ziel der herzoglichen
Politik, dieses Recht der Stände zu beseitigen. Ein Kompromiß war hier unmöglich.
Denn das Steuerbewilligungsrecht bedeutete die Macht der Stände, sein Verlust
bedeutete die Macht des Herzogs. Der Kampf währte während der ganzen politischen
Lebensarbeit Andreas Gottliebs, er endete mit dem Sieg der Stände und einem Verfall
der herzoglichen Macht, von dem diese sich nie ganz wieder erholt hat.
Andreas Gottlieb kannte die Problematik des Verhältnisses zwischen Landesherrn und
Ständen von Jugend auf. Wenn er auch nicht selber auf einem ritterschaftlichen
Landgut aufgewachsen war, so saß doch seines Vaters Bruder Joachim d.J. auf
Bernstorf und die Familie seiner Mutter auf Hundorf, und mit seinem Bernstorfer Vetter
Andreas machte er, wie oben erwähnt, die Tour d'Europe seiner Ausbildungszeit. In
seiner ersten Stellung am Schweriner Hof kam er dann in enge Berührung mit den aus
diesen Spannungen sich ergebenden konkreten Fragen, wobei er bereits zum
Sprachrohr seiner mecklenburgischen Standesgenossen geworden zu sein scheint, in
einem Alter, in dem er noch leicht für eine Parteinahme zu gewinnen war.
Als er dann 1672 nach Celle kam, fand er hier großes Interesse für die politischen
Verhältnisse in Mecklenburg vor. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war
damals zwecks besserer Organisierung seines Zusammenhalts in Kreise eingeteilt,
und Kreisoberster des Niedersächsischen Kreises, zu dem im wesentlichen ganz
Norddeutschland, insbesondere auch Mecklenburg und die braunschweig-lüne-
burgischen Lande gehörten, war damals der Herzog von Celle. In dieser Eigenschaft
hatte er gewisse Kreisumlagen zu beanspruchen und daher auch ein Interesse daran,
daß den mecklenburgischen Herzögen die für solche Zahlungen nötigen Mittel zur
Verfügung standen.