Seite 325
Albrecht lernte gut. Seine Mutter schrieb über den 9-Jährigen, daß er am besten von den
Geschwistern lerne, und zwei Jahre später: "Albrecht wird gewiß einmal viel lernen; er ist sehr
weit für sein Alter". Wie es der Tradition der Familie entsprach, herrschte auch in Stintenburg
eine tief religiöse Atmosphäre. Die schlichte innige Frömmigkeit des Elternhauses ist den
Kindern, wie Ringhoffer schreibt, für das ganze Leben zum Heil geworden und war gleichsam
der Cherub, der auch Albrecht durch das Leben leitete.
Albrecht hatte schon als Kind ein besonderes Interesse für Geschichte, und schon in jungen
Jahren lebte in ihm der Wunsch nach einem einigen großen Deutschland, der sein ganzes
Leben hindurch seine treibende Kraft blieb, eine Folge offenbar der Erzählungen, die er in
seinem Elternhaus über die Schrecknisse der Franzosenzeit und über die erhebenden
Freiheitskriege gehört hatte. Bis zur Prima wurde er zu Hause von einem ausgezeichneten
Hofmeister unterrichtet, der nachher Pastor des uralten Kirchleins auf dem St. Georgsberg in
Ratzeburg wurde. Die Prima absol-vierte Albrecht auf der Gelehrtenschule in Ratzeburg, von
wo er jeden Sonnabend, im Winter oft durch tiefen Schnee, nach dem etwa 20 km entfernten
Stintenburg ritt. Dann bezog er die Universität Göttingen, wo er Rechtswissenschaft, vor allem
Staatswissenschaft und Nationalökonomie studierte. Schon in seiner dortigen Studentenzeit
sprach er mit seinem Vater über seinen Wunsch, in die Dienste Preußens zu treten, welches
das einzige Land sei, dessen Dienst für ihn eine große Anziehungskraft besitze. An Preußen
habe er von den Tagen der Kindheit an gehangen, und nur in diesem Staat habe die
diplomatische Laufbahn, zu der er allein Neigung besitze, für ihn wirklichen Wert. Dabei ist zu
bedenken, daß Stintenburg, im Herzogtum Lauenburg gelegen, damals noch zu Dänemark
gehörte.
So ging Albrecht im Herbst 1829 als 20-jähriger Student nach Berlin, wo der Onkel Christian
Günther, damals preußischer Außenminister, ihn mit offenen Armen aufnahm. Es wiederholte
sich hier bis zu einem gewissen Grade das Verhältnis, das zwei Generationen zuvor Johann
Hartwig Ernst mit seinem Brudersohn Andreas Peter verbunden hatte. Auch Christian Günther
hatte keinen Sohn und freute sich, seinen Neffen zu dem Dienst heranzubilden, der der Inhalt
seines Lebens war. Er bot ihm in seinem Hause eine zweite Heimat und führte ihn in die große
Gesellschaft ein, empfahl ihn auch dem Wohlwollen König Friedrich Wilhelms III. Albrechts
Briefe aus dieser Zeit schildern das große Glück, das ihn in Berlin im Hause des Onkels und
der Tante/Kusine Elise erfüllte. Und Christian Günther seinerseits schrieb an Albrechts Mutter:
"Meinem Sohn könnte ich kaum eine lebhaftere Zuneigung widmen". Christian Günther sorgte
dafür, daß Albrecht, nachdem er seine zweite juristische Prüfung bestanden hatte, als
"Königl.Preuß. Auskultator“ nach Merseburg kam. Die nächste Station war die Stellung eines
preußischen Attachés mit Diäten in Hamburg, wo er sich auf das einige Monate später
abgelegte zweite diplomatische Examen vorbereiten mußte. In dieser Zeit verlor er seinen
väterlichen Gönner, den Onkel Christian Günther, der 1835 starb. Anderseits erbte dadurch
Albrechts Vater Dreilützow, das, da der Bruder Hermann bereits das väterliche Stintenburg
erben sollte, Albrecht zugedacht war.