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Hinzu kam, daß Mecklenburg damals in das Spannungsfeld rivalisierender Nachbarn
geriet. Wismar gehörte damals zu Schweden, und dieses stand mit Brandenburg im
Kampf um die Macht im Ostseeraum, ein Kampf, an dem auch Dänemark nicht
unbeteiligt war. Und in diesem Kampf hatte Mecklenburg für beide Seiten erhebliche
strategische Bedeutung. Der Celler Herzog, dessen Land sowohl an Brandenburg wie
an Mecklenburg grenzte, konnte es aber keinesfalls dulden, daß Mecklenburg in den
Machtbereich Brandenburgs mit der daraus folgenden Machterweiterung dieses
Nachbarn geriet. Vielmehr strebte er selber danach, in dem Wunsch, seinen
brandenburgischen Nachbarn an Macht zu überflügeln, Mecklenburg in seinen eigenen
Einflußbereich zu ziehen.
Daher schickte er, als Mecklenburg in die Auswirkungen des Krieges zwischen
Brandenburg und Schweden hineingezogen wurde, in seiner Eigenschaft als
Kreisoberster im Jahre 1676 braunschweig-lüneburgische Truppen ins Land, für die
dann die mecklenburgischen Herzöge Entschädigungsleistungen zu zahlen hatten. Aus
diesem Grunde hatte er ein Interesse an der Leistungsfähigkeit der mecklenburgischen
Herzöge und stand daher der widerspenstigen Haltung der mecklenburgischen Stände
ablehnend gegenüber. Andreas Gottlieb hat es aber, als er in Celle die Zügel der
Regierung in die Hand nahm, sehr schnell verstanden, bei seinem Herzog Verständnis
für den Standpunkt der mecklenburgischen Ritterschaft zu wecken und ihn davon zu
überzeugen, daß seinen Interessen nur mit den Ständen, nicht gegen sie, zu dienen
sei.
Es ist im Rahmen dieser zusammengefaßten Darstellung des Lebens Andreas
Gottliebs nicht möglich, die Entwicklung und den Ablauf des jahrzehntelangen
mecklenburgischen Ständekampfes zu verfolgen. Eine eingehende Darstellung dieses
Kampfes findet sich in Hans-Joachim Ballschmieters Buch "Andreas Gottlieb von
Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf (1680-1720)“, Der Kampf, den
nach Christian Louis Tod (1692) sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm (†1713)
aufnahm, erreichte seinen Höhepunkt unter des Letzteren Nachfolger und Bruder Carl
Leopold (1678-1747), der seine absolutistischen Vorstellungen nicht, wie sein Onkel
Christian Louis, nach Ludwig XIV. von Frankreich ausrichtete, sondern nach dem von
ihm bewunderten Carl XII. von Schweden.
In das Ringen der beiden mecklenburgischen Parteien war von vornherein der
Kaiserhof in Wien eingeschaltet, und hier hatte von Anfang an Andreas Gottlieb durch
seine überlegenen politischen Fähigkeiten das stärkere Gewicht. Es gelang ihm, der
seit 1679 als Eigentümer von Wedendorf selber Sitz und Stimme in der
mecklenburgischen Ritterschaft hatte, daß der Kaiser im Jahre 1683 auf die
wiederholten Vorstellungen der von Andreas Gottlieb beratenen mecklenburgischen
Ritterschaft den Kreisobersten Georg Wilhelm von Celle beauftragte, eine Kommission
einzusetzen, die die streitenden Parteien nach Möglichkeit vergleichen sollte. Die
Kommission hat aber in Rostock mit ihren Vergleichsbemühungen keinen Erfolg
gehabt.
Der Kampf ging weiter und schleppte sich in der zähen und langwierigen
Verhandlungsweise der damaligen Zeit viele Jahre hin, wobei es entscheidend darauf
ankam, auf welche Seite sich letztlich der Kaiser stellte. Andreas Gottliebs Einfluß
wuchs dabei in dem Maße, in dem die Bedeutung seiner Stellung, zunächst als
Cellescher Geheimer Rat, dann als kurhannöverscher Premierminister und schließlich