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bei einem gänzlichen Wechsel des Ministeriums zur Verfügung stehen; aber dem
Prinzregenten war ein Wechsel in den leitenden Männern sehr unangenehm.
Am 2. Jan. 1861 starb Friedrich Wilhelm IV., und sein Bruder, der bisherige Prinzregent, folgte
ihm auf den Königsthron als Wilhelm I. Dieser hatte Albrecht als einen seiner engsten Berater
ausersehen. Er kannte Albrechts leidenschaftliches Eintreten für die Bildung eines
gesamtdeutschen Staates und beauftragte ihn mit dem Plan einer neuen Verfassung für
Deutschland auf der Grundlage eines Bundesstaates mit Ausschluß Österreichs. Und wenige
Monate darauf bat er ihn, das preußische Außenministerium zu übernehmen. Jetzt konnte sich
Albrecht dieser Berufung nicht entziehen, obwohl er sich nur sehr schwer zur Übernahme
dieser Aufgabe entschloß. Auch fürchtete er, daß seine körperlichen Kräfte den damit
verbundenen Anstrengungen nicht gewachsen seien.
Anfang Juli 1861 reiste Albrecht mit seiner Familie von London nach Berlin. Er hatte eine
Aussprache mit dem König und schrieb darüber an seine Frau: "Man will alle meine Bedenken
nicht gelten lassen, indem Seine Majestät mindestens ebenso konservativ sei, als ich und
gerade konservative Männer hinein haben wolle, um nicht weiter im liberalen Sinne zu gehen.
Ich sei der einzig Mögliche und werde vom König mit allen Ministern einstimmig gewünscht.“ In
einem Brief vom gleichen Tage schrieb er dem König: "Ich hin stets konservativ gewesen und
kann meine Grundsätze nicht verleugnen. Die Lage der Dinge ist aber der Art, daß gewisse
liberale Maßregeln durchgeführt werden müssen, und es scheint mir richtiger, daß dies durch
Männer geschehe, welche sich stets zu mehr oder minder liberalen Grundsätzen bekannt
haben, als durch Konservative." Der König blieb aber bei seiner Meinung und ernannte Albrecht
am 31. Juli 1861 zum Minister der Aus-wärtigen Angelegenheiten. So saß 26 Jahre nach
Christian Günthers Tod wieder ein Bernstorff auf dem Sessel des preußischen Außenministers.
Albrecht fand bei seinem Amtsantritt schwierige Probleme in der preußischen Außenpolitik vor.
Da war zunächst die dänische Frage, d.h. der Versuch Dänemarks, dessen König auch die
Souveränität über Schleswig, Holstein und Lauenburg ausübte, diese Herzogtümer oder doch
mindestens Schleswig ganz in Dänemark einzuverleiben, was Preußen keinesfalls dulden
wollte. Und da war die immer noch ungelöste deutsche Frage, in der Albrecht die militärische
Führung der deutschen Kontingente durch Preußen, gemeinsame diplomatische Vertretung
dem Ausland gegenüber und ein gemeinschaftliches Parlament aus Vertretern der einzelnen
Landtage oder Kammern forderte. Das Parlament solle sich in ein Fürstenhaus und ein
Volkshaus gliedern. In der Exekutive sollte aber die preußische Spitze gesichert sein. Mit
Österreich, das außerhalb dieses Bundesstaates stehen sollte, sollte aber eine Allianz und die
Garantie aller Besitzungen bestehen, was wiederum Probleme im Hinblick auf die italienischen
Einigungsbestrebungen und die Besitzungen Österreichs in Oberitalien mit sich brachte. Mit
Österreich ergaben sich auch Spannungen daraus, daß Preußen einen Handelsvertrag mit
Frankreich anstrebte, während Österreich wegen seiner völlig anders gearteten wirtschaftlichen
Verhält-nisse aus dem deutschen Zollverein ausgeschlossen bleiben sollte.