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sie keinen Rückschritt und auch keinen Stillstand in der Gesetzgebung wollen, sondern daß sie
eine freisinnige Verwaltung und Gesetzgebung auf konservativer, an das Bestehende
anknüpfender Grundlage und solche Reformen wollen, welche durch wirkliches Bedürfnis
geboten sind, nicht aber solche, welche bloß aus Prinzip um des Reformierens willen und, um
dem nie endenden Drängen der Fortschrittspartei zu genügen, vorgenommen werden sollen
Der König entließ die der Majorität angehörenden Minister und berief ein nur aus Konservativen
bestehendes Ministerium, dem Albrecht weiterhin als Außenminister angehörte und mit dem
der König den Kampf um die Militärreform hoffte führen zu können.
Als die Budget-Kommission des Landtages nun in ihrem Bericht über den Militär- Etat für das
Jahr 1862 dem Landtag empfahl, die durch die Reorganisation des Heeres verursachten
Kosten von etwa 6 1/2 Millionen Thalern vom Etat abzusetzen, legte das Staatsministerium
dem König am 9. Sept. 1862 einen Bericht vor, in dem es die voraussichtliche Entwicklung und
die gegebenen Möglichkeiten erörterte. In dem Bericht wurde vorgetragen, daß mit einer
Einigung zwischen Regierung und Landesvertretung nicht zu rechnen sei, daß es aber
anderseits verfassungsmäßig nicht zulässig sei, nach abgelehntem Etat weiter unter
Zugrundelegung dieses Etats zu regieren. Es bleibe daher nichts weiter übrig, als in diesem Fall
des unlösbaren Konflikts den Landtag abermals aufzulösen.
Der König war nicht gewillt, sich dieser Ansicht anzuschließen. Er blieb bei der Auffassung,
daß, wenn das Herrenhaus den vom Landtag verstümmelten Etat verwürfe, nach dem von der
Regierung vorgelegten, aber nicht zustande gekommenen Etat regiert werden dürfe. In dieser
schwierigen Situation dachte der König an Abdankung. Albrecht beschwor ihn in einem Brief
vom 19. Sept. 1862, das nicht zu tun. Zur politischen Lage schrieb er: “... kommen muß und
wird der Augenblick der Notwendigkeit einer Verständigung mit der Landesvertretung über die
gesetzlichen Grundlagen der veränderten Heeresorganisation und die Mittel zu ihrer
Aufrechterhaltung, und je länger diese Verständigung hinausgeschoben, je mehr sie im
allerletzten Augenblick, nach Erschöpfung aller verfassungsmäßigen Mittel, zur unabweisbaren
bitteren Notwendigkeit wird und dann bedingungslos ange-nommen werden muß, um so
dringender war mein Wunsch und der einiger meiner Kollegen, Eurer Majestät eine solche
Eventualität zu ersparen und das Mittel zu ergreifen, welches sich uns fast providentiell
darzubieten schien, um noch eine Verständigung möglich zu machen, bei der die
Reorganisation der Armee nicht rückgängig gemacht wurde." Da der König im Konseil erklärt
hatte, daß diejenigen Minister, welche seiner Ansicht nicht folgen könnten, aus dem Ministerium
ausscheiden möchten, bat Albrecht in diesem Brief um seine Entlassung, weil er seiner
"innigsten und pflichtgemäßen Überzeugung nach auf dem Wege des Fortregierens ohne
Budget oder mit einem verweigerten Budget nicht folgen" könne.
Wenige Tage später, am 23. Sept., strich der Landtag sämtliche für die Reor-ganisation der
Armee nötigen Mittel. Daraufhin traten auch der Präsident des Ministeriums, Hohenlohe, und
der Minister v. der Heydt zurück. Albrecht hatte dem König schon immer Bismarck als Minister
empfohlen. Jetzt wurde dieser zum Präsidenten des Ministeriums und später zum Minister der
Aus-