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wärtigen Angelegenheiten berufen. Bismarck und Albrecht waren sich im Grunde in ihren
politischen Auffassungen und Zielvorstellungen einig, nur die Bereitschaft, gegen die
Verfassung zu regieren, teilte Albrecht mit ihm nicht.
Albrecht hatte sich bei seiner Berufung zum Außenminister vor wenig mehr als einem Jahr vom
König ausbedungen, daß ihm der Gesandtenposten in London oder Paris für den Fall des
Ausscheidens offen gehalten würde. So ernannte ihn nun der König "mit voller Anerkennung"
der auch als Außenminister "Mir und dem Vaterlande mit treuer Hingebung geleisteten guten
Dienste, unter Belassung des Titels und Ranges eines Staatsministers" zum Botschafter in
London. Gesandter konnte er als bisheriger Minister nicht mehr sein, die Gesandtschaft wurde
zur Botschaft erhoben.
In einem Brief an einen Freund schreibt Albrecht damals unter Hinweis auf die Sackgasse, in
die das Ministerium geraten sei. "Unter solchen Umständen es mit einem Mann wie Herrn v.
Bismarck zu versuchen, halte ich für gerechtfertigt und wünsche ihm alle möglichen Erfolge. ....
Mit ihm zusammen hätte übrigens von meinem Bleiben im Ministerium unter allen Umständen
keine Rede sein können, da wir beide darüber einig sind, daß zwei Minister des Auswärtigen in
demselben Ministerium zu viel sind." Übrigens habe der König die Fortführung von Albrechts
Politik namentlich in der deutschen und in der Handelsvertragsfrage ausdrücklich von Bismarck
verlangt.
Albrecht kehrte nun im Okt. 1862 nach London in die im Vorjahr von ihm verlassenen
altvertrauten Räume von Prussia House, der preußischen Botschaft, zurück. Hier blieb er die
noch vor ihm liegenden 10 1/2 Jahre bis zu seinem Tode.
Und in dieses Jahrzehnt fielen die größten Entscheidungen der preußischdeutschen
Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nämlich die Entscheidung der
schleswig-holsteinisch-lauenburgischen Frage durch den Krieg des Jahres 1864 gegen
Dänemark, der preußisch-österreichische und inner-deutsche Krieg von 1866 und der
deutsch-französische Krieg von 1870. Alle diese Kriege, die Albrecht mit ganzem Herzen und
leidenschaftlich bejahte, brachten für ihn in seiner Stellung als Botschafter in London
außerordentlich schwierige Aufgaben. Die europäischen Großmächte waren nicht gewillt, den
Veränderungen der deutschen Verhältnisse tatenlos zuzusehen. Besonders in der schleswig-
holsteinischen Frage wäre England um ein Haar auf dänischer Seite in den Krieg eingetreten,
wenn nicht die Königin selber sich mit Festigkeit gegenüber ihrer Regierung und der
öffentlichen Meinung durchgesetzt hätte. Es kam zu einer Konferenz in London, in der Albrecht
Preußen vertrat. Sie scheiterte an der Ablehnung des Ergebnisses durch Dänemark, und der
Krieg ging weiter. Schließlich mußte Dänemark die drei Herzogtümer Schleswig, Holstein und
Lauenburg an die beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich abtreten. Der
Landtag des Herzogtums Lauenburg beschloß am 21. Okt. 1864 auf Antrag von Johann
Bernstorff-Gyldensteen auf Wotersen den Anschluß an Preußen. Für Albrecht konnte es
natürlich keine größere Freude und Genugtuung geben, als daß seine lauenburgische Heimat
und sein Stintenburg von Dänemark gelöst wurden und zu Preußen kamen. Es war dies eine
Verwirklichung seiner Jugendideale, an der er zu seinem Teil seit Jahren mit aller Kraft
mitgewirkt hatte.