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Mit der Darstellung des äußeren Lebensganges von Andreas ist aber seine eigentliche
Bedeutung und seine Lebensarbeit nicht erfaßt. Sein eigentliches Interesse und sein ganzer
Lebenseinsatz galten der Reich-Gottes-Arbeit, seit er als halbwüchsiger Junge seine
Bekehrung erlebt und sich ganz dieser Arbeit verschworen hatte, an der nach seiner Heirat
auch seine Frau als Gleichgesinnte innerlich teilnahm.
Mit 17 Jahren trat Andreas dem Verein für Erbauungsschriften im preußischen Staat bei, um
durch ihn gute Traktate zur Verbreitung in Stintenburg zu bekommen. Schon mit 16 Jahren hielt
er in der Schule einen Vortrag über das Thema "Wie gebraucht man am besten seine
Jugend?", in dem er als Haupttugend eines rechten Jünglings nicht Fleiß und Wißbegierde,
sondern echte Frömmigkeit und Liebe zu Gott bezeichnete. Als Student in Berlin hielt er
Bibelstunden in einem Hause der Pappelallee. Es erregte damals Aufsehen und Widerspruch,
daß ein junger Laie öffentlich das Wort verkündigte, und der Pastor Steffann, der ihm diese
Arbeit übertragen und gestattet hatte, mußte der Sache ein Ende machen.
Interessant ist der Bericht von Andreas über einen Besuch in Hermannsburg, wo damals Louis
Harms die große Erweckungsbewegung ins Leben gerufen hatte. Andreas fuhr auf dem
Rückweg von einem Besuch in Gartow dorthin. Er schreibt: "Wie schön, an einem Ort zu sein,
wo das Christentum eine solche Macht ist". Er besuchte die Sonntagsgottesdienste. "Der eine
dauerte von 8 1/2 bis 2 1/4. der zweite von 3 1/2 bis 6 Uhr, und doch war man nicht ermüdet
oder empfand es als zu lang. Harms sprach so fabelhaft einfach."
1863 nahm Andreas in den großen Ferien in England an einer Konferenz der Evangelischen
Allianz teil, auf der der 19-Jährige völlig unvorbereitet aufgefordert wurde, auch seinerseits zu
sprechen. Es gelang und war für ihn eigentlich der Anstoß, künftig Hemmungen gegen
öffentliches Sprechen zu überwinden.
Auf einer Pfingstreise war er auch einmal in Bad Boll, wo damals noch der alte Blumhardt
waltete. Von Bad Boll aus fuhr er zur 300-Jahr-Feier des Todes von Calvin nach Genf, wo er
auch eine Ansprache halten mußte.
Das erste wirklich größte Engagement von Andreas galt aber der Sonntagsschule. Die Idee
hierfür kam damals in Berlin auf, und die beteiligten christlichen Kreise meinten, das sei etwas
für Andreas Bernstorff. Der Pastor Zahn, Hausgeistlicher am Evangelischen Verein, fing damit
an, weil Andreas für ein halbes Jahr Berlin verlassen wollte, aber nach seiner Rückkehr
übernahm Andreas im Okt. 1864 eine Gruppe und blieb 5 Jahre lang der Stellvertreter des
Pastors, bis er Berlin 1869 verließ. "Die Sonntagsschule entzückt mich", schreibt er. "Wir sind
17 Lehrer und 180 Kinder." Die Sonntagsschule dauerte jeweils 1 1/2 Stunden, in denen
Andreas etwa 30 bis 40 Minuten zu seinen Jungens redete. Hin und wieder hatte er auch die
ganze Sonntagsschule zu leiten. Der Sonntagsschularbeit hat seit jener Zeit sein Leben lang
seine besondere Liebe gegolten. Die Arbeit breitete sich immer weiter aus und gewann an
Bedeutung, so daß sogar die Königin-Witwe Elisabeth ihm ihre Freude darüber aussprach und
ihn sogar in der Sonntagsschule besuchte. Bei ihr war er übrigens damals oft zum Diner
eingeladen. Ihr Mohr erschien dann,