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nur bedeute, daß dem Kurfürsten von Hannover jetzt neue kolossale Machtmittel für
seine Politik zu Gebote ständen. Es war, als wollten sie England zu einem Appendix
von Hannover machen und die Politik des mächtigen Inselreichs unter die Interessen
eines kleinen deutschen Kontinentalstaates zwingen!". "Sie stritten für das
Unmögliche.... aber Bernstorff war vom Zauber der europäischen Weltpolitik ergriffen
worden. Jetzt, wo sein Herr eine größere Rolle spielte, sollte auch die seine im
gleichen Verhältnis wachsen. Wie Ranke sagt, wollte er die Politik von ganz
Europabeherrschen.“ "Die Abneigung gegen den hannoverschen Einfluß wuchs von
Jahr zu Jahr in England, und Bernstorff selbst schuf sich durch sein hochfahrendes
Selbstbewußtsein persönliche Gegner."
1720 gelang es dem britischen Außenminister Stanhope, Andreas Gottliebs Einfluß
auszuschalten. Als Andreas Gottlieb in diesem Jahr, wie schon oft vorher, den König
nach Hannover begleitete, kehrte er im Herbst nicht mit nach England zurück, sondern
blieb in Hannover. Die Zeit der hannoverschen Junta war zu Ende.
Die Ausschaltung aus seiner Stellung in London hatte aber auch das Verhältnis
Andreas Gottliebs zu seinem König verändert, er hatte nicht mehr dessen Gunst. Und
wenn er auch offiziell noch im Amt blieb, zog er sich doch mehr und mehr aus
Hannover nach Gartow zurück, während andere den Platz des nunmehr 71-Jährigen
einnahmen. Vielleicht war er aber auch zu alt geworden, um noch die in der großen
Politik erforderliche Wendigkeit aufbringen zu können. Aber er empfand Bitterkeit
gegen seinen König, weil er die Ungnade, mit der er sich belohnt sah, nicht verdient zu
haben glaubte. Und es bleibt auch eigenartig und auffallend, daß in den
Welfenschlössern unter den Bildern der Minister keines von Andreas Gottlieb
aufbewahrt ist. So wenig wurde sein Andenken geehrt.
c. Andreas Gottliebs Familie.
Nach seinem Ausscheiden aus der großen Politik widmete Andreas Gottlieb sich in
Gartow ganz der Sorge für seine Familie und ihre Zukunft. In Gartow hatte er einen
Familiensitz geschaffen, der seither Hauptmittelpunkt der Familie gewesen und es
auch heute nach über 250 Jahren noch ist, zumal mit Wedendorf, Dreilützow und
Stintenburg drei andere bedeutende Besitzungen der Familie neben allen anderen
ostelbischen Besitzungen in unserem Jahrhundert verloren gegangen sind. - Andreas
Gottlieb war, als er sich 1720 nach Gartow zurückzog, schon 20 Jahre Witwer; aber er
hatte, wie Aage Friis schreibt, "eine glückliche Ehe geführt, war rein von Sitten und
hatte seine freie Zeit am liebsten still im Kreise der Seinen verlebt."
Wie bereits oben erwähnt, hatte er am 16.11.1675 in Celle Johannette Lucie v. Sinold
gen. v. Schütz geheiratet, die Tochter des Celleschen Kanzlers und vormaligen
kaiserlichen Reichshofrats und Gießener Professors Dr. iur. Johann Helwig v. Sinold
gen. v. Schütz (geb. Gießen 25.6.1623, †Celle 30.7.1677). Der Großvater war Justus
Sinold gen. Schütz, Professor der Rechte in Gießen, der als hessen-darmstädtischer
Geheimer Rat und Kanzler geadelt worden war. Er stammte aus Butzbach i.Hessen,