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Er wollte nicht Landwirt werden; in ihm war das Blut seiner großen Vorfahren lebendig. Aber er
wollte doch wenigstens einigermaßen die Landwirtschaft beurteilen können. Deshalb ging er
nach dem 1909 bestandenen Abitur für kurze Zeit in die land-
wirtschaftliche Lehre auf ein märkisches Gut, eine Zeit, die ihn wenig befriedigte.
Dann bot sich ihm die Gelegenheit, für 2 Jahre von 1909 bis 1911, als Rhodes-Scholar nach
Oxford zu gehen. Und diese zwei Jahre haben dem Charakter, den Anschauungen und dem
ganzen Leben des damals 19-21-Jährigen die Richtung gegeben. Der große englische
Kolonisator Cecil Rhodes hatte diese Stiftung gegründet, die es der Jugend Englands und
Deutschlands ermöglichen sollte, sich kennen zu lernen und einander zu verstehen, um so der
Gefahr eines englischdeutschen Zusammenpralls zu begegnen. Hier in Oxford entwickelte sich
in Albrecht der kosmopolitisch Geist, der seinerzeit das Wirken Johann Hartwig Ernsts und
Andreas Peters ausgezeichnet hatte. Inzwischen hatte im Gefolge der französischen
Revolution der Nationalismus mit seiner Verengung des Denkens auf die eigene Nation von
Europa Besitz ergriffen. Albrecht, der durch das über-nationale Wirken seines Vaters, in der
Reich-Gottes-Arbeit und durch die Tatsache, daß seine Mutter aus den freiheitlichen
Verhältnissen des schweizer Bürgertums stammte, schon von Hause aus über die Grenzen
Preußens und Deutschlands hinauszusehen gewohnt war, wuchs durch die Gemeinschaft mit
Engländern in Oxford über nationalistische Denkweise hinaus. Man hat gesagt, Albrecht sei
wegen seiner kosmopolitischen Haltung ein Mensch des 18. Jahrhunderts gesenen. Ich meine,
daß man ihm damit nicht gerecht wird, sondern daß man ihn richtiger als einen frühen Europäer
unserer Zeit einstuft.
Man hat Albrecht als Anglomanen bezeichnet. Aber es war nur so, daß englische Lebensart
seiner Natur in besonderem Maße entsprach. Nicht umsonst war sein Großvater Albrecht fast
20 lang Preußens Vertreter in London gewesen, und sein Vater Andreas hatte gemeint, daß er,
wenn er nicht Deutscher hätte sein können, hätte Engländer sein mögen. Nicht der Sport, aber
Geselligkeit, Humor und ge-sunder Menschenverstand Freude an der Debatte und Freude an
schönen Dingen, vor allem aber die Pflege der Freundschaft waren es, was ihn am englischen
Wesen anzog und seiner eigenen Natur entgegenkam, der alles enge, fanatische und
überhebliche Wesen zuwider war. Er war ein geborener Grandseigneur von herzgewinnender
Offenheit und Courtoisie, der jedermann aus allen Ständen und Völkern ohne Prätension
gegenübertrat. "Er war ein Aristokrat, der auch Demokrat sein konnte."
Von den beiden Oxforder Jahren konnte Albrecht später, wie sein Biograph und späterer
Schwager Kurt v. Stutterheim schreibt, niemals sprechen, ohne daß ein Leuchten über sein
Gesicht ging. Und seine Verbindung mit Oxford ist nie abge-rissen. Sein weiteres Studium
betrieb er in Kiel, aber nach Oxford fand er an dieser notwendigen Studienzeit kein großes
Gefallen. Noch weniger behagte ihm seine Militärdienstzeit. Denn zum Soldaten war er am
wenigsten geschaffen, und es gab auch kaum einen Offizier in seinem großen Freundeskreis.
Seine Dienstzeit bei den Gardekürassieren war aber nur von kurzer Dauer. Denn er litt an
Heufieber, war allergisch gegen Pferde und konnte so starke