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Als die Nationalsozialisten am 30. Jan. 1933 die Macht ergriffen hatten, blieb Albrecht nur noch
kurz im Amt. Im Jan. 1933 war noch das Jubiläum seines zehnjährigen Wirkens in England
gefeiert worden, wobei seine englischen Freunde ihm eine Standuhr schenkten mit einer
Inschrift, die besagte, daß diese Uhr immer gehen und er immer bleiben möge. Im Juni 1933
wurde er aus London abberufen. Man bot ihm, vielleicht um ihn in seinem Interesse aus der
politischen Schußlinie zu ziehen, das Generalkonsulat in Kalkutta an. Albrecht lehnte aber ab
und bat um seinen Abschied. Im Nov. 1933 wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Damit war mit 43 Jahren seine diplomatische Laufbahn zu Ende. Er opferte sie seinen
moralischen Grundsätzen. Unter normalen Umständen hätte er bei seinen Fähigkeiten Aussicht
gehabt, wie seine bedeutenden Vorfahren Botschafter oder gar Außenminister zu werden.
Albrecht nahm nun seinen Wohnsitz in Berlin. Denn ein Leben nur als Gutsherr auf Stintenburg
hätte ihn nicht ausgefüllt und befriedigt. Er trat in Berlin in das jüdische Bankhaus A.E.
Wassermann ein, dessen persönlich haftender Gesellschafter er 1937 wurde. Er tat dies
bewußt, um im Rahmen seiner Kräfte Juden helfen zu können, Deutschland zu verlassen und
wenigstens einen Teil ihres Vermögens zu retten. Sein Mitarbeiter Joachim v. Heinz bringt ein
bewegendes Zeugnis von Albrechts moralischer Sensibilität, indem er schreibt, daß er, als die
Tür hinter dem letzten Träger des Firmennamens der Bank ins Schloß gefallen war, Albrecht
zusammengebrochen und schluchzend an seinem Schreibtisch gefunden habe. - Albrecht hat
auch am Morgen nach der "Kristallnacht" vom 8. Nov. 1939 den bekannten Historiker Ernst
Kantorowicz zu sich geholt und länger als eine Woche bei sich in der Hildebrandtstraße
versteckt, bis die Gefahr vorüber war, Kantorowicz einen Paß erhalten, hatte und Albrecht ihn
zur Abreise nach England an die Bahn begleiten konnte.
In Kürze hatte sich Albrecht in Berlin wieder einen großen Freundeskreis geschaffen. Er kannte
den französischen Botschafter François-Poncet gut und war mit dem dänischen Gesandten v.
Steensen-Leth und seiner Frau befreundet. Zu seinen Freunden gehörte auch Frau Solf, die
Frau des von ihm verehrten Botschafters. Albrecht führte jetzt zwar ein freies Leben, nicht nur
in Berlin und Stintenburg, wohin er oft Freunde einlud, sondern er konnte auch ungehindert ins
Ausland reisen, so nach England oder in die Schweiz, die Heimat seiner Mutter. Aber er wurde
jetzt doch ein anderer. Stutterheim schreibt: "Es war interessant zu sehen, wie das Schicksal
hier einen Mann formte. Von Natur aus tolerant und konziliant, pflegte er Konflikte durch ein
Witzwort abzuschwächen. Niemals hätte er das Heroische beachtet, bis er es selbst
verkörperte. Er wurde stark, als es galt, Schwächeren zu helfen, und mutig, um sich mit
frevelhaftem Übermut ausein-anderzusetzen. Mit der Gefahr, die wuchs, wuchs auch der Mann,
den das Leid nicht zerbrach, sondern stärkte, bis eines Tages aus dem liebenswürdigen jungen
Herrn des Londoner Parketts ein großer Charakter geworden war."
Ursprünglich war Albrecht ein Meister im Erzählen von Naziwitzen gewesen. Auch in späteren
Jahren nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn es galt, Hitler und sein System zu geißeln. Carl
Burckhardt schreibt, er habe derartig frei über die politische