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Gegenwart und politisch exponierte Persönlichkeiten gesprochen, daß man sich einer
ausgesprochenen Sorge um ihn nicht habe erwehren können. Er war kompromißlos und
glaubte nicht an eine Reform des Nationalsozialismus, sondern war überzeugt, daß das
Regime beseitigt werden müsse, wenn wieder anständige Verhältnisse geschaffen werden
sollten. Vergeblich warnten seine Freunde ihn vor seiner zu großen Offenheit.
Dabei gehörte Albrecht nicht eigentlich zum Kreis der Widerstandskämpfer. Gewiß gehörte er
allgemein zur Widerstandsbewegung, war mit Frau Solf befreundet und mit Adam v. Trott zu
Solz und General Oster gut bekannt, aber er blieb ein Einzelgänger. Mit dem 20. Juli 1944 hatte
er schon deshalb nichts zu tun, weil er damals schon in Haft war. Zum Verschwörer war er nicht
geeignet, aber er arbeitete gegen die Nazis, wo er konnte, und half den Juden, wo immer es in
seiner Macht stand. Auf die Dauer konnte das nicht gut gehen. Nachdem die Nazis, aus
welchen Gründen auch immer, lange Zeit nichts gegen Albrecht unternommen hatten, wurde er
im Mai 1940 infolge einer Denunziation verhaftet und bald darauf nach Dachau gebracht. Im
September des gleichen Jahres wurde er aber durch Vermittlung seines Freundes Detlof v.
Winterfeldt und des Dr. Langbehn über den SS-Ober-gruppenführer Wolff befreit.
Aber auch diese böse Erfahrung veranlaßte Albrecht nicht dazu, seine Arbeit gegen das
System einzustellen, oder gar, sich nach Stintenburg zurückzuziehen. Vielmehr setzte er seine
Arbeit wie bisher fort, nur mit etwas größerer Vorsicht. Für die Widerstandsbewegung war
Albrecht wertvoll, weil er noch immer Fühlung mit dem Ausland hatte. Noch im Juni 1939 hatte
er in England an einem Festessen seines Oxforder College "Trinity" teilgenommen. Und die
Fäden waren auch nachher nicht abgerissen, ebenso wie nach der Schweiz, wo er von
Mutterseite her noch Besitz hatte und wohin er immer wieder die Ausreiseerlaubnis erhielt.
Noch im Juli 1943 war er dort. Freunde versuchten, ihn zu überreden, nicht nach Deutschland
zurück-zukehren. Er tat das trotzdem und wurde am Tage nach seiner Rückkehr verhaftet,
diesmal endgültig.
Es begann nun für ihn ein fast zweijähriges Martyrium, das mit seinem Tode endete. Zuerst war
er in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin, im Febr. 1944 kam er nach Ravensbrück. Hier mußte
er schwere Mißhandlungen erdulden. Sein Freund Hilger van Scherpenberg, der mit ihm
gefangen war, aber mit dem Leben davonkam und in der Bundesrepublik Staatssekretär und
dann Botschafter wurde, hat eines Tages vom Zellenfenster aus beobachtet, wie Albrecht
morgens sehr früh zur Vernehmung abtransportiert wurde und nach Einbruch der Dunkelheit
auf einer Bahre mit Decken zugedeckt zurückgebracht und in eine Dunkelzelle gelegt wurde.
Als Scherpenberg ihn später noch einmal sah, hatte er sich aber von den Mißhandlungen
wieder erholt und sah verhältnismäßig frisch aus. Aber auch Frau Solf hat einmal von ihrer
Zelle aus beobachtet, wie Albrecht blutbedeckt und von zwei Wärtern gestützt von einer
Vernehmung zurückgebracht wurde.
Niemals, sagte Frau Solf, habe sie einen Ausdruck
solchen Leides und solcher Entschlossenheit gesehen.